Jedes Volk, das eine extreme Eigenschaft ausbildet, bildet zugleich auch das krasse Gegenteil dieser Eigenschaft aus. So haben die Einwohner des „Landes des Lächelns“ unter Mao den größten Massenmord der Geschichte begangen, die Bürger des Landes der „feinen, englischen Art“ sind gleichermaßen die Urheber der Hooligan-Kultur, die hyperkapitalistischen Juden haben auch den Kommunismus erfunden und die Deutschen, die notorischen Regelbefolger und Wächter der politischen Korrektheit, bringen bisweilen absonderliche Regelbrecher hervor.
Unser „Enfant Terrible“ ohne Scham
Uwe Boll, der Regisseur dieses Filmes, ist so jemand. Allerdings nicht auf eine linksversiffte Art wie Haneke oder Schlingensief, sondern auf eine holzhammermäßige, brachial-naive und wirklich peinliche. Die Linken mögen ihn nicht, aus ähnlichen Gründen, warum sie Donald Trump nicht mögen.
Dabei hat Boll sogar einmal versucht, einen Film in ihrem Sinne zu machen: „Auschwitz“ hätten die Linken lieben sollen, ist er doch dazu gedreht worden, Schulklassen vorgeführt zu werden, um ihnen das Holocaustnarrativ einzupflanzen. Es hatte bis dato noch niemand in einem Film gezeigt, wie KZ-Insassen tatsächlich im Gas krepieren; Uwe Boll tat es. Freilich auf gnadenlos peinliche Art (er spielte selber den Typen, der die Todgeweihten in die Gaskammer wirft). Ziemlicher Cringe, Sören war not amused und zeigte seinen Schülern lieber auch weiterhin die entsprechenden Spielberg-Filme statt Bolls peinliche Selbstinszenierung.
Die Computerspiel-Vorlage: Ein Gemetzel
Was Uwe Boll anfasst, macht er kaputt, und folgerichtig kann sein einziger guter Streifen, „Postal“, auch nur von einem großen Amoklauf handeln. Postal basiert auf einer in Deutschland verbotene Computerspielreihe, in welcher die größte Herausforderung für den Spieler darin besteht, den Alltag in einer von allen Symptomen der postmodernen Entartung befallenen, seelenlosen amerikanischen Kleinstadt zu bestreiten (wie z. B. Ewigkeiten für irgendeinen Passierschein A38 beim Amt anzustehen) und dabei eben nicht der Versuchung nachzugehen, die Waffe zu ziehen, um das Elend in einem kathartischen Schlachtfest brutalst zu beenden. Was theoretisch möglich, aber emotional unmöglich ist, denn irgendwann will man einfach Blut sehen. Postals zynisches Motto: „It’s only as violent as you are“.
Die perfekte Vorlage für Uwe Boll, denn hier verwandelt sich seine Schwäche (ein absolut treffsicheres Gespür für peinliche No-Gos) in eine Waffe – und es ist schon eine Lust, Bolls komplette Unfähigkeit zur Politischen Korrektheit ihr Zerstörungswerk anrichten zu sehen. Als „rechter Film“ war Postal sicher nie gedacht, aber der schonungslose Cringe, mit welchem er die modernen Mythen des Westens beschmutzt und schließlich alles im Kugelhagel vernichtet und gleich darauf noch einmal im nuklearen Feuer verbrennt, kann einem als Zuseher schon einen hübschen Kick morbider Schadenfreude geben.
Die degenertierte Clownwelt
Was hier dem Erdboden gleichgemacht wird, ist die Postmoderne selber – im Setting dieses Filmes ist alles degeneriert und ins Falsche verdreht: die Ehe, die Arbeit, die Religion, die Politik und sogar die deutsche Kultur, die auf Bier, Blasmusik und Holocaust reduziert wird. Eine Clownwelt, die aus rechter Sicht ihren Untergang mehr als verdient. Sören salzt:
„Eine Komödie, in der sich massiv über die Opfer der Terroranschläge vom 11. September 2001 lustig gemacht wird und mit beinahe adoleszenter Renitenz auch noch andere Tabus verletzt werden: Kinder werden onscreen erschossen, Behinderte missbraucht, reichlich Fäkalhumor präsentiert, Ekelsex-Szenen, Rassismen, Nazisymbole gibt es zu sehen und zu guter letzt werden sogar noch die Holocaust-Opfer verhöhnt. Erstens ist es niemals komisch, sich über getötete Menschen lustig zu machen (da muss man nicht einmal ein Spießer sein, um das zu finden) und zweitens ist es nicht komisch, weil Boll offenbar nicht weiß, wie man Komik inszeniert.“ (www.f-lm.de)
Alle paar Jahre bringt das internationale rechte Lager ja einen Amokläufer hervor, der lieber alles kurz und klein schießt, statt weiter in Sörens Paradies leben zu müssen. Von sowas rate ich dringend ab, aber „Postal“ kann man sich als kleinen Ausgleich ruhig mal gönnen.