Das Genre der Superheldenfilme hat im vergangenen Jahrzehnt eine enorme Ausweitung erlebt. Gerade Marvels Avengers sind zu einem unüberschaubaren Filmbiotop mit einer Vielzahl von Produktionen zu den Schicksalen einzelner Heroen wie Iron Man, Thor oder Dr. Strange angeschwollen. Dass unter einen solchen Inflation die narrative Qualität leidet, ist kaum zu vermeiden. Das Ergebnis ist bekömmliches, aber austauschbares Popcorn-Kino. Man erwartet schon kaum mehr als stumpfes Actionkino mit Superheldenanstrich; hinter dieser Schwemme verschwinden die Perlen des Genres, wie Nolans Dark-Knight-Trilogie (2005 – 2012) oder Watchmen (2009). Ein ebenfalls besonderer Vertreter des Superheldenfilms, der einen eigenen psychologischen Ansatz verfolgt, ist das unter der Regie von M. Night Shyamalan entstandene „Unbreakable – Unzerbrechlich“ aus dem Jahr 2000.
Das Elend zeitgenössischer Helden
Der “Vigilant” als solcher ist die archetypisch rechte Heldenfigur. Er ist ein Streiter nicht allein gegen das Verbrechen sondern gegen das Böse an sich, das sich in der Figur des Schurken manifestiert. Sein Kampf ist nicht allein der einer kompromisslosen Gerechtigkeit, sondern für das Gute als Prinzip. In der Regel führt dieser Eifer den Helden jenseits des institutionellen Rechtssystems, das nicht willens oder fähig ist, selber für Gerechtigkeit zu sorgen und – auf diese Weise deklassiert – nicht selten in der Form einer Anarcho-Tyrannei seine Kräfte gegen den Vigilanten selbst richtet.
Diese Eigenschaften machten den Superhelden in jüngerer Zeit zum Opfer und zur Projektionsfläche linker Narrative: Aus dem einsamen Rächer wird zunehmend eine Verkörperung woker Ideale, eine multikulturell umgeprägte Charaktermaske (siehe die diversifizierten NachfolgerInnen [sic!] etablierter Helden wie Spider Man oder Iron Man), die nicht mehr für Gerechtigkeit, sondern soziale Gerechtigkeit einsteht. Der Held bewegt sich in einem Raum aus moralischem Relativismus, in dem der Schurke in konstruktivistischer Manier zum Opfer eines ungerechten Systems, zu einem psychologisch ausgeforschten Nebenhelden wird.
Das Böse ist so kein organischer (Wider-)Part des Guten mehr, sondern das Ergebnis eines fast schon technisch zu verstehenden Fehlers in den ungerechten Strukturen. Der Vigilant degeneriert zum Sozialarbeiter, der Held alten Musters erscheint mehr und mehr als Extremist, als alter, weißer Mann. Watchmen inszeniert diese Entwicklung als pessimistischen und zynischen Abgesang. Unbreakable geht hier jedoch einen anderen Weg und bricht dafür auch mit klassischen Konventionen des Genres.
Vater als Heldenprototyp
Der von Bruce Willis verkörperte David Dunn ist zunächst kein mit omnipotenten Kräften oder Feuereifer ausgestatteter Supermann, sondern beginnt seine Heldenreise als einfacher Sicherheitsangestellter im mittleren Alter. Eine tiefe Lethargie lastet auf ihm. Die Beziehung zu seiner Frau und seinem heranwachsenden Sohn ist unterkühlt und distanziert, den Sinn seines Lebens hat er längst aus den Augen verloren. Wir haben es mit einem von seiner Familie und vor allem sich selbst entfremdeten Charakter zu tun. Der im Zuge eines katastrophalen Bahnunglücks, das Dunn als einziger wie durch ein Wunder unverletzt überlebt, zu Tage tretende Verdacht, er habe Superkräfte (Unverwundbarkeit), wird von David in erster Reaktion zurückgewiesen und bestritten. Es wird deutlich, dass nicht allein die rationale Unwahrscheinlichkeit diese Haltung bestimmt, sondern der Protagonist vor allem sich selbst verleugnet.
Unter dieser Haltung leidet besonders sein pubertierender Sohn Jospeh. David, der sich selbst verloren hat, ist unfähig seine Rolle als Vater und vor allem als männliches Vorbild auszufüllen. Dabei ist es gerade eine Vaterfigur, die sein Sohn in dieser kritischen Phase seines Lebens braucht. In den Augen eines Jungen avanciert der Vater zugleich zum Modell eines Superhelden. Er ist der einzige, der sofort daran glaubt, dass Dunn wirkliche Superkräfte besitzt. In seiner Weigerung, seine Rolle als Held anzunehmen, zeigt sich daher symbolisch auch Davids Unvermögen, seine Verantwortung als Vater zu übernehmen.
Heldenreise als Schicksalsfindung
Unbreakable beschreibt Dunns Heldenreise, seine Entwicklung zum Heroen als Geschichte einer zunächst widerwilligen Selbst- und Seinsfindung. Dunn ist zum Helden bestimmt und muss diese Bestimmung annehmen. Mit zunehmender Ausforschung seiner Kräfte beginnt er, seine Rolle zu akzeptieren. Mit seiner Bestimmung findet er auch seine Verortung in der Welt, die die zu Beginn bestehende Entfremdung heilt und die Verbindung zwischen Vater und Sohn wiederherstellt. Unbreakable unterstreicht damit nicht nur die Wichtigkeit einer präsenten Vaterfigur als Vorbild, sondern zeigt die Welt als Ausdruck einer sinnstiftenden Ordnung, in der es dem Menschen aufgegeben ist, seinen Platz zu finden. Es handelt sich hier um zutiefst konservative Motive, die von Shyamalan gekonnt dargestellt werden.
Das Böse als Teil der Welt
Letzteres wird durch die zweite Hauptfigur des Films, dem von Samuel L. Jackson dargestellten Elijah Price, noch einmal unterstrichen. Der exzentrische Comic-Sammler ist der erste, der nach dem Zugunglück mit der Theorie auf Dunn zukommt, dass dieser Superkräfte habe. Im Verlauf des Films erweist er sich als Mentor-Figur, die David immer wieder dazu anregt, seine Kräfte und damit seine wirkliche Identität zu erforschen. Doch Price ist kein Samariter. Er leidet unter der Glasknochenkrankheit. Er ist im wahrsten Sinne des Wortes fragil und deshalb geradezu besessen von Dunns Unverwundbarkeit.
Der fragile Elijah avanciert nicht allein zum optischen sondern auch zum konzeptuellen Gegenstück des Unzerbrechlichen. In der finalen Begegnung des Films erweist sich dann schließlich auch seine sinistre Natur: Price wird in Abgrenzung zu Dunn zum Schurken. Die dabei zu Tage tretende Psychopathologie wird jedoch ausdrücklich und wortwörtlich nicht als Seinsfehler inszeniert. Ähnlich wie David litt auch Elijah darunter, aufgrund seiner Krankheit sich über seine Rolle in der Welt unsicher zu sein. Mit der abgeschlossenen Heldenreise erkennt der Mann aus Glas sich selbst als Gegenteil des Helden und findet dadurch seine eigene Verortung als Gegenstück in dem er seine Rolle als Schurke annimmt. Shyamalan inszeniert das Böse hier als organischen Teil der Welt und notwendigen Widerpart des Guten. Die psychologische Ausforschung stellt es auf eine differenzierte, moderne Grundlage ohne es jedoch zu negieren. Der Kreis zu einem harmonischen Weltverständnis ist geschlossen.
Gelungene Inszenierung
Die besondere Qualität erreicht Unbreakable, weil es seine Erzählung inszenatorisch unterstreicht. Neben der guten schauspielerischen Leistung ist vor allem die Arbeit mit Lichtstimmung und Farbsymbolik hervorzuheben. Dunn, mit seinem grünen Regenmantel und Elijah in seinen violett gehaltenen extravaganten Anzügen, werden direkt gegensätzlich aufgebaut. Dezente Änderungen der Farbkomposition verdeutlichen ihre charakterliche Entwicklung. Die allgemeine Lichtstimmung wiederum veranschaulicht über den Film hinweg den Fortschritt der mentalen Sinnfindung. Während Davids Szenen zunächst von einer unheimlichen Kälte, Entsättigung und Kraftlosigkeit des Lichtes und der Farben geprägt sind, werden diese zunehmend wärmer, heimeliger und kräftiger, in gleichen Maße wie er seine Sinnkrise, Entfremdung und Distanziertheit überwindet und zu sich selbst und seiner Familie zurückfindet. Für Elijah verläuft diese Entwicklungslinie umgekehrt: Die warmen Farbtöne, die noch seine ersten Auftritte begleiten, werden zunehmend kalt und künstlich.
Damit die Stimmung wirken kann, nimmt sich der Film Zeit für seine Charaktere, für ihre Beziehungen miteinander. Dafür werden lange Einstellungen ohne viele Sprünge genutzt. Dem actiongeladenen aber allzu häufig inhalts- und rastlosen Bombast moderner Comic-Verfilmungen wird hier eine Heldenreise als Melodram gegenübergestellt. Die wenigen gut gesetzten Spannungshöhepunkte des Films können dadurch viel eindringlicher wirken. Unbreakable reift somit nach über 20 Jahren zu einem noch wertvolleren Film heran, der sichtbar aus der Masse zeitgenössischer Genre-Filme herausragt.