„Menschlichkeit“ – ein Begriff, der den meisten in unserem Lager starke Bauchschmerzen bereitet. Wir wurden darauf konditioniert, ihn mit dem heuchlerischen, kurzsichtigen, universalistischen Humanismus der linksliberalen Globalisten zu assoziieren. Diese knüppeln damit im Rahmen der Moralhypertrophie jeden potenziellen Gegner nieder. Doch anstatt das aussichtslose Spiel nach ihren Regeln mitzuspielen und ihnen Begriffe wie „Gutmensch“ entgegenzuwerfen, ist es viel zielführender, sich zu überlegen, was den Menschen überhaupt ausmacht und welche Gefahr eine durchrationalisierte Welt für die Menschlichkeit darstellt. Dies ist ein schwieriger, da tiefgründiger und abstrakter Prozess. Einen ersten, ansehnlichen Versuch liefert uns hier der Komödienklassiker „Und täglich grüßt das Murmeltier“.
Murmeltiertag – Heute, morgen, bis in alle Ewigkeit
Darin erlebt der narzisstische, arrogante Wettermann Phil Connors (Bill Murray) ein und denselben Tag immer wieder aufs Neue – den Groundhog Day. Er muss für seinen Sender über das Murmeltierfestival in der Kleinstadt Punxsutawney berichten, bei dem ein Nagetier das Wetter orakelt. Für ihn ist es eine Tätigkeit weit unter seinen Ansprüchen. Er verbreitet eine dementsprechend miesmuffige Atmosphäre, von der sich seine Produzentin Rita (Andie MacDowell) jedoch nicht herunterziehen lässt. Aufgrund eines Schneesturms muss er die Nacht erneut im Ort verbringen. Am nächsten Morgen ist wieder der Murmeltiertag, wobei alle anderen den Tag zum ersten Mal erleben.
So geht es den ganzen Film durchweg. Anfangs will Phil es nicht wahrhaben. Dann beginnt er die unmittelbaren Vorteile der Situation auszunutzen. Er verschlingt Berge von ungesundem Essen, raucht, verstößt gegen das Gesetz und schleppt Frauen ab. Beharrlich versucht er auch, Rita ins Bett zu bekommen. Ganz systematisch inszeniert er immer wieder ein Treffen mit ihr, bei dem er nichts dem Zufall überlässt und alle seine Sprüche auswendig lernt. Doch sie erteilt ihm jedes Mal eine Abfuhr. Irgendwann wird er der Zeitschleife überdrüssig und probiert sogar, sich das Leben zu nehmen. Dennoch wacht er jeden Tag wieder in derselben Pension auf.
Phils Systematisierung der Welt ist an Rita gescheitert
Rita ist nicht nur hübsch, sondern – im Gegensatz zu Phil – auch lebenslustig und sympathisch, doch dabei keinesfalls einfältig. Sie geht mit einer positiven Einstellung durchs Leben, die sie nicht aus kurzfristigen Befriedigungen zieht. Von Phils Völlerei fühlt sie sich angewidert und kritisiert sein Verhalten mit einem passenden Zitat von Sir Walter Scott, dessen Aussage der oberflächliche Phil natürlich nicht versteht bzw. verstehen will und ins Lächerliche zieht. Sie fällt auch nicht auf ihn herein, als er sich täglich mit ihr trifft, mit dem Ziel, Informationen über sie zu sammeln, um sie schlussendlich ins Bett zu bekommen.
Phil Connors ist zwar klug, aber enorm egozentrisch. Er hält sich für sehr viel besser als seine Kollegen beim Sender und natürlich als die Einwohner von Punxsutawney. Sobald er die Zeitschleife akzeptiert, erkennt er auch die Vorteile – zu Beginn jedoch nur die kurzfristigen. Erst nach einem ehrlichen Gespräch mit Rita nimmt Phil eine optimistische Perspektive ein. Daraufhin widmet er sich Aktivitäten, die ihm keine direkte Befriedigung verschaffen, sogar Anstrengung erfordern, aber seinem Wesen entsprechen und auf lange Sicht seine Seele erfüllen. Er nimmt Klavierunterricht und verbringt Zeit mit einem alten Bettler. Es wird gezeigt, wie er diverse Bücher liest, die ihm kein unmittelbar anwendbares, sondern ein überzeitliches Wissen und Gefühl vermitteln, wodurch er sein Bewusstsein erweitert.
Sein Versuch, durch Systematisierung und Planung die Welt nach seinen Vorstellungen zu gestalten, ist an Rita gescheitert. Sie versteht, dass echte Zuneigung Zeit benötigt und Verbundenheit mehr bedeutet, als Daten eines anderen zu kennen und sich demgemäß kompatibel zu verhalten. Erst seine veränderte Lebenseinstellung ruft in Rita die Zuneigung hervor, die sie ihm zuvor aufgrund seines berechnenden Vorgehens verwehrt hat.
Die Kleinstädter sind authentisch und liebenswert
Die Entwicklung des Protagonisten ist nicht nur ein Prozess der ichbezogenen Selbstfindung, sondern ebenso der Verortung innerhalb seiner Umgebung. Er akzeptiert die „hinterwäldlerische“ Bevölkerung, wie sie ist. Die Bewohner werden authentisch und – auch wenn ungebildet – doch liebenswert dargestellt.
Es sind Leute, die mit dem Zitat eines schottischen Schriftstellers nichts anfangen können und und nur wenige Fremdwörter im Repertoire haben. Sie leben in ihrem kleinstädtischen Organismus mit den guten wie auch den schlechten Seiten der Conditio Humana. Die Besitzerin der Pension, in der Phil nächtigt, ist beispielsweise eine nette, ältere Dame, die ihren Gästen zwar keinen hohen Standard bieten kann, aber sich fürsorglich um sie kümmert. Auch wenn die gezeigten Bewohner nicht über die größeren Zusammenhänge der Welt nachdenken, so blitzt zuweilen eine gewisse Bauernschläue auf. So identifiziert ein Arbeiter, mit dem Phil am Tresen sitzt, diesen zutreffend als “Glas-halb-leer-Typen”.
Der Vernunftglaube versperrt uns den Zugang zur Welt
Phils anfänglicher Blick auf die Welt ist typisch für einen Menschen unserer Zeit, die ihm keinen tieferen Sinn bietet und seine Seele verkrüppelt. Mit seinem eingeschränkten, materialistischen, auf oberflächlichen Nutzen ausgerichteten Blick bleibt Phil nur die für ihn beschwerliche Arbeit und der Konsum. Dem Kleinstadtaufenthalt kann er nichts Positives abgewinnen. Für ihn ist er lediglich ein Zeugnis seiner stockenden Karriere. Der Wetterexperte hält sich für enorm schlau und bestimmt hat er auch einen höheren IQ als die Bewohner von Punxsutawney. Dennoch – oder womöglich auch deswegen – erkennt er nicht, dass es einen Teil der Welt gibt, der seinen zweckrationalen Horizont übersteigt.
Die westliche Gesellschaft sieht sich in der Tradition der Aufklärung. Den Menschen wurde glauben gemacht, dass mit dem Ausweiten der Herrschaft der Vernunft und dem Kappen der organischen Bindungen eine perfekte Welt entstehen würde. Es gäbe keine Kriege und kein Leid mehr, dafür Wohlstand und Freiheit für jedermann. Losgelöst von Religion, ethnisch-kulturellen Bindungen, tradierten Werten, Normen und Erzählungen ist der Mensch auf sich selbst zurückgeworfen. Ohne vorgegebene Strukturen hat er keinen Halt und macht sich selbst zum Gott oder sucht nach einer Autorität.
Der Glaube der Menschen an die rationale Berechenbarkeit der Welt führt zwangsläufig in eine mechanistische Technokratenherrschaft. Im Zuge von KI, Elon Musks Neurolink-Chips oder Klaus Schwabs „Great Reset“ wurde diese transhumanistische Zukunftsvision zwar präsenter, erscheint aber noch als abstrakte, schwer vorstellbare Dystopie. Die Menschen hängen allerdings schon heute einer wissenschaftlich legitimierten Autorität an. Alles dreht sich um die Unumstößlichkeit von Fakten und jede Partei reklamiert diese für sich.
Der neue Aufstand des Lebens
Die Frage, was den Menschen, außer seiner Biologie, ausmacht, lässt sich aber nicht in Zahlen und sinnentleerten Begriffen einer materialistischen Sprache taxonomisch erfassen, geschweige denn ausdrücken. Es geht um Unvollkommenheit und das Bewusstwerden der eigenen, einzigartigen Seele, die sich in der Konfrontation mit dem Leben und der Umwelt auf natürliche Weise entwickelt und nicht von verantwortungslosen Eliten programmiert wird.
Die Frontlinie zwischen Mensch und System, Lebendigem und Totem besteht schon seit Jahrhunderten. Im 21. Jahrhundert wird sie allerdings virulent, wenn nicht sogar der entscheidende Kampfplatz unserer Zeit werden. Der Übergang vom Mensch zur Maschine wird zunehmend fließender. Um diesem Prozess etwas entgegenhalten zu können, benötigen wir eine anschauliche, rechte Definition des Begriffs „Menschlichkeit“.
Fazit
„Groundhog Day“ zeigt uns ein Bild vom Menschen, das über das rational-mechanistische des Westens hinausgeht. Nicht nur wegen der Charaktere. Allein die Tatsache, dass sich die Leute mehr für die ritualisierte Prognose eines Murmeltiers interessieren statt für den Wetterbericht, veranschaulicht, dass Menschen keine reinen Vernunftwesen sind. Im Übrigen stellt sich die Wettervorhersage vom Experten Phil Connors auch noch als falsch heraus (Murmeltier > Experte)!
PS: Bevor man sich den Film mit seiner Freundin ansieht, sollte man sicherstellen, dass sie stabil genug ist und Rita nicht in Sachen „Weltfriedensgequatsche“ nacheifert.