Die Schwarze Sprache – finster und verdorben – war Saurons Werk. Aber das Böse kann nichts Eigenes erschaffen, es kann nur Bestehendes verzerren. Sauron verdrehte die Sprache fremder Zungen, bis ein Klanggebilde entstand, das Abscheu und Unbehagen hervorrief. Zunächst waren es seine treuesten Diener, die sich dieser neuen Worte bedienten. Mit Saurons Rückkehr breitete sich die Schwarze Sprache aus: ein Werkzeug, geschmiedet einzig zu dem Zweck, die freien Völker Mittelerdes zu binden – und zu knechten.
Die Schwarze Sprache aus J.R.R. Tolkiens Der Herr der Ringe ist keine Metapher fürs Gendern, aber eine Analogie – und wie jede gute Analogie verweist sie auf ein tiefer liegendes Muster: die Korrumpierung der Sprache zum Werkzeug der Macht. Denn um Macht und Kontrolle geht es bei dieser entstellten Parodie: Sprechen führt zu Unterwerfung. Lauschen zu Unbehagen. Heiliges geht verloren.
Die deutsche Sprache erlebt gegenwärtig keine organische Entwicklung, sondern eine ideologische Inbesitznahme. Nicht Überzeugung oder Diskussion, sondern Zwang und Vorschrift prägen den Ton. Verantwortlich dafür sind Institutionen und eine kulturelle Elite, die sich zunehmend einer linken Agenda untergeordnet haben und sich in ihrer Deutungshoheit sicher fühlen.
Wer sich weigert, gilt als rückständig oder sogar als gefährlich. Doch genau das ist notwendig – sich vorbereitet und selbstbewusst dem erpresserischen Würgegriff entgegenzustellen. Das passiert nicht genug: Selbst manche Konservative und Rechte übernehmen die krampfhafte Doppelnennung von Gruppenbezeichnungen, anstatt es als höfliche Begrüßung („Sehr geehrte Besucherinnen und Besucher“) zu belassen.
Der Fehler im bürgerlichen Reflex
„Gendergaga“, „Genderwahn“, „Habt ihr nichts Besseres zu tun?“ – Viele reagieren mit Spott oder Empörung, verständlich, aber oberflächlich und strategisch kurzsichtig. Der Affekt ersetzt kein Argument. Man mag sich Luft verschaffen und seine Seite amüsieren – überzeugt aber weder linke Sprachdekonstruktivisten noch unentschlossene Beobachter, für die eigene Sprache einzustehen.
Es als „irre, aber ja im Grunde gut gemeint“ durchzuwinken ist der bürgerliche Kardinalfehler. Das Problem wird verkannt. Es geht hier nicht um modische Sprachtrends. Es geht um einen durchdachten, fundamentalen Angriff auf Identität, Denken, Wahrnehmung und Kultur. Und dieser verlangt eine fundierte Antwort.
Die Mehrheit und Sprachräte lehnen es nicht grundlos ab. Sei es das Sternchen, die unschöne Pause, die Doppelnennung, die falsche Verwendung des substantivierten Partizips I („Mitarbeitenden“), oder sonst eine linke Erfindung diesbezüglich: Sie sind falsch. Deswegen ist es Zeit für ein paar Einwände.
1. Es ist hässlich.
Dies ist alles andere als ein Luxusproblem. Sprache ist Kunst. Sie übernimmt dieselbe Funktion: Sie ordnet, hebt hervor, stiftet Sinn – und genau deshalb ist sie Linken suspekt. Denn Schönheit regt zur Unterscheidung an, öffnet den Blick für das Wahre und das Falsche. Sei es der Unterschied zwischen jung und alt, Mann und Frau oder gewachsen und konstruiert – wer Gleichheit absolut setzt, muss Schönheit dekonstruieren (siehe moderne Kunst) und zu etwas Subjektivem erklären.
Schönheit spiegelt stets auch unser Verlangen nach Emotion, Widerspruch und menschlicher Tiefe. Für einen auf reibungslose Verwaltung ausgerichteten Stabilitätsstaat ist das ein Risiko. Deswegen sind in Aldous Huxleys „Schöne neue Welt“ die Bücher Shakespeares verboten, da sinnstiftende Schönheit die Fesseln des totalitären Weltstaats sprengen kann.
Wer gegendertes Deutsch liest oder hört, spürt diese Hässlichkeit. Der Sprachfluss wird gestört; Rhythmus, Klang und Leichtigkeit gehen verloren. Aus Ausdruck wird Anstrengung. Aus Stil wird Stolperstein. Dies verletzt unser Empfinden und entbirgt die Reaktion, die man beim Nachrichtensprecherdeutsch verspürt. Nicht umsonst sagen viele: Goethe würde sich im Grab umdrehen.
2. Es zersetzt und banalisiert die Grammatik
Es ist zwar grammatikalisch korrekt, aber wird nun weitreichend semantisch falsch verwendet – das substantivierte Partizip I. Die inflationäre Verwendung vom substantivierten Partizip I ist allgegenwärtig: „Studierende“ oder „Mitarbeitende“ ersetzen häufig Studenten oder Mitarbeiter. Dies ist aber falsch: Der „Lesende“ hört auf, einer zu sein, sobald er das Buch zuschlägt. Er ist trotzdem ein Leser. Es gibt auch keine „toten Studierenden“! Man zerstört damit nicht nur die Möglichkeit der Beschreibung des aktiven Vorgangs, man raubt der Sprache Identität.
Noch schwerer wiegt jedoch: Die generische, abstrahierende Form wird ruiniert! „Leser“, „Nutzer“ und „Arbeiter“ sind keine Männer, sie sind Rollenbezeichnungen, die man in der Einzahl („der Nutzer“) mit dem maskulinen Genus (Genus wird zwar in der Grammatik mit „Geschlecht“ übersetzt, bedeutet aber mehr) und in der Mehrzahl („die Nutzer“) mit dem femininen bezeichnen kann. Wenn „der Nutzer“ plötzlich „die nutzende Person“ sein soll, verlieren wir Klarheit, Präzision und am Ende den Bezug zur Wahrheit. Die „er“-Endung ist sogar eine sprachlich verwurzelte allgemeine Möglichkeit, Dinge zu beschreiben (z.B. den Staubsauger). Wer das nicht anerkennt, der versteht nicht, wie Sprache funktioniert – oder will es nicht verstehen.
3. Es folgt aus einer falschen ideologischen Prämisse.
Unsere Sprache ist kein Unterdrückungsapparat, den man mit ideologischer Brechstange zurechtrücken muss. Wer unsere Kultur so grundlegend unter Verdacht stellt, offenbart weniger reflektiertes Bewusstsein als Misstrauen. Sprache ist in erster Linie ein Spiegel unseres Denkens – und wem der Blick in den Spiegel nicht gefällt, dem hilft es wenig, ihn zu zerschlagen.
Bei der Prämisse, dass das generische Maskulinum Frauen unsichtbar mache, kann man den Schuh auch umdrehen: Das generische Maskulinum unterdrückt Männer, weil es den Mann „beliebig“ macht und die Frau zu etwas Besonderem – wenn man diesem Denkfehler konsequent folgt. Dass also ausgerechnet dies zum Skandal erklärt wird, zeigt hier eine Kurzsichtigkeit (oder auch eine Verwerflichkeit in der Absicht).
Sprache ist aber kein Werkzeug für Gleichheit – sondern Ausdruck von Wirklichkeit. Sie ist auch nicht „geschlechtergerecht“: Dies ist nicht nur orwellscher Neusprech – eine Sprache an sich kann gar nicht gerecht oder ungerecht sein. Äußerungen können aber ungerecht sein. Wird eine Sprache gerecht, weil sie umständlich und zur Feindmarkierung verwendet wird? Oder ist sie gerecht, wenn sie Linken Zugriff auf Macht gibt? Gendern ist nicht gerecht!
Nicht vergessen: Die Leute in ihren Stuben, die dies propagieren, haben für die deutsche Sprache und ihre Kultur meist nur Überdruss und Groll übrig. In der „Utopie“, dem Endziel der ewigen Revolution, wird es keine deutsche Sprache mehr geben.
4. Es ist ein linkselitäres Glaubensbekenntnis.
Gendern ist nicht inklusiv – es ist exklusiv. Es dient der Abgrenzung. Wer „gendert“, demonstriert seine Gruppenzugehörigkeit zur akademisch-urbanen Linken. Das ist keine Theorie – das ist gelebte Praxis. Wer das Ritual beherrscht, beweist, dass er ein Eingeweihter ist. Dass er die Regeln kennt. Es geht um Abgrenzung, nicht um Inklusion.
Wer linke Sprachaktivisten beobachtet, wird ihr exklusives Verhalten zur Identifizierung bemerken. Ihre restliche Sprache ist voll von US-amerikanischen politischen Schlagwörtern (z.B. „safe space“). Dies ist für Außenstehende und Ältere nicht gerade leicht verständlich.
Dazu kommt ein geradezu kolonialer Aspekt: Gendern ist ein Import. Das Wort selbst stammt aus dem Englischen. Was im US-amerikanischen Kontext entstanden ist – mit anderen sprachlichen Grundlagen und gesellschaftlichen Konfliktlinien – wird blindlings auf das Deutsche übertragen. Dabei werden Grammatik, Sprachrhythmus und kulturelle Eigenheiten missachtet. Es ist, als wolle man aus dem Erlkönig eine Excel-Tabelle machen. Warum lässt man Leute ohne Bezug zum Eigenen einem sagen, wie man zu reden hat?
Aus dem Blickwinkel der Abgrenzung wird klar, dass die opportunistischen Mitläufer (eine beliebte Rolle von Promis) nicht nur falsche Ideen legitimieren, sondern aus Sprache ein Abgrenzungswerkzeug machen. Aus Gier nach Gratismut beteiligen sich Selbstdarsteller willig an jeder neuen Zurschaustellung. Der Typus ist kein Unbekannter – spätestens seit der Pandemie kennen ihn viele nur zu gut.
Auf der anderen Seite hat man die Verunsicherten. Vielleicht durften auch Sie, lieber Leser, den Druck des Glaubensbekenntnisses schon erleben: Die Verunsicherten denken nach, bevor sie etwas sagen, fangen an zu stottern und entschuldigen sich für ihre „Unachtsamkeit“. Es ist ein trauriger Anblick, da sie sich ihre gedanklichen Fesseln selbst auferlegt haben.
So entsteht eine neue Sprachhierarchie: Wer gendert, gilt als „sensibel“. Wer nicht mitmacht, als verdächtig. Wer widerspricht, als rückständig. Wer schweigt, macht sich zum Komplizen. Die Sprache wird zum Standeszeichen. Und damit zur Waffe.
5. Das generische Maskulinum gibt die Wahrheit akkurat wieder.
Der Propagandaleitfaden zum Gendern geht von der Vorstellung aus, dass sprachliche Gleichbehandlung zu gesellschaftlicher Gleichheit führt. Doch das ist ein Irrtum. Wie wir dank dem Gleichstellungsparadoxon wissen, unterscheiden sich Männer und Frauen in ihren Entscheidungen (z.B. bei der Berufswahl) umso mehr, je stärker eine Gesellschaft rechtlich auf Gleichstellung drängt. Freiheit führt zu Unterschieden, nicht zu Gleichheit. Auch Kulturen mit Sprachen ohne Genus (z.B. türkisch) unterscheiden gesellschaftlich sehr wohl zwischen Männern und Frauen. Anders als behauptet, wird das generische Maskulinum sogar stets richtig erkannt: als generisch.
Gleichheit sollte aber auch nicht das Endziel sein. Wie in den vorherigen Punkten erläutert, ist Unterscheidung keine Unterdrückung, sondern erlaubt die Wahrnehmung von Schönem und Wahrem. Wir können für Unterscheidung selbstbewusst einstehen, denn wir streben innerlich danach: Dies äußert sich nicht nur in irgendeiner Statistik über die Berufswahl, sondern ebenso in unserer Mythologie und unserem inneren Bedürfnis nach einer Rolle.
Das generische Maskulinum ist etabliert, verstanden und funktioniert. Das Gegenteil – Gendern – führt zu Unklarheit, künstlicher Trennung und semantischer Verwirrung. Sprache, die der Wirklichkeit widerspricht, kann man vielleicht fortschrittlich nennen – sie ist aber falsch.
6. Es schwächt uns.
Die Sprache verliert durch das Gendern nicht nur ihre Eleganz, sondern wird auch unnötig überkompliziert und unverständlich (z.B. bei Ansammlungen von Gruppenbezeichnungen, rechtlichen Texten oder Unwörtern wie „Bürgerinnenmeisterinnenwahl“). Was einst in einem klaren Satz gesagt wurde, wird nun zur sprachlichen Stolperstrecke durch doppeltes Aussprechen oder krampfhafte Pausen. Dies kostet Zeit, erschwert das Verständnis, verlangsamt und verunsichert uns. In einer Welt, in der Kommunikation über Leben und Tod entscheiden kann, ist das keine Kleinigkeit.
Gesellschaftlich dringt dies noch tiefer: Gendern wird so zum Kennzeichen kulturellen Verfalls. Wir verlieren das Wesentliche aus dem Blick – und feilen stattdessen an Pronomen, Partizipien und Passivkonstruktionen. Die Sprache kommt nicht aus dem Leben, sondern aus den Redaktionen und Seminarräumen. Sie dient nicht dem Austausch, sondern der Zurschaustellung moralischer Gesinnung.
Ich wuchs mit der Lehre auf, dass der Ostblock auch deshalb zerfiel, weil offene Rede und ehrlicher Austausch erstickt wurden. Vielleicht werden künftige Generationen einst Ähnliches über unsere Zeit sagen. Bei großen Kulturen ist Verfall durch Selbstauflösung als durch Gewalt keine Seltenheit. Der Westen ist auf dem besten Weg.
Der Weg zurück – oder aufwärts
Viele Menschen spüren diesen Druck. Im Beruf, im Studium, im Bekanntenkreis. Man möchte nicht anecken. Man will keinen Ärger. Und so beginnt man, sich zu fügen – oder zu schweigen. Das kann ich verstehen: Auch ich muss mir meine Kämpfe gut überlegen, denn oft sitzt jemand am längeren Hebel. Ich möchte nicht, dass jemand aufgrund meiner Empfehlung berufliche oder soziale Nachteile riskieren muss.
Die Vorstellung, sich heraushalten zu können, ist aber ein Trugschluss. Wer heute schweigt oder sich ironisch entzieht, ebnet morgen den Weg für neue Sprachregelungen, neue Vorschriften, neue Zwänge – und härtere Strafen.
Was gilt es also zu bedenken?
Zunächst: sich nicht einschüchtern lassen. Gendern ist weder Gesetz noch moralische Pflicht. Wer es ablehnt, muss nicht laut sein. Es reicht oft, die eigene Sprache selbstverständlich zu verwenden. Man darf „Schüler“ sagen. Man darf „Mitarbeiter“ schreiben. Man darf der Sprache trauen. Wer gefragt wird, warum er nicht gendert, kann schlicht antworten: „Weil ich gutes Deutsch spreche.“ Oder, ganz direkt: „Weil ich kein Mitläufer bin.“
Zweitens: nicht in die Falle der Aggression tappen. Spott, Wut oder platte Polemik mögen befreiend wirken – sie überzeugen aber nicht. Wer wirklich etwas verändern will, braucht Argumente. Bei der Argumentation fokussiere ich mich auf die ausgrenzende Unterscheidung des Glaubensbekenntnisses, bemängele aber nicht nur das autoritäre Aufdrücken. Die sprachliche Schändung durch Gendern ist im Kern übergriffig und falsch.
Drittens: Vorbild sein. In der Familie, im Kollegenkreis, im Verein. Wer klar spricht, setzt ein Zeichen. Wer sich nicht beugt, macht anderen Mut. Jeder, der dies tut – mit einem Lächeln – gibt der Sprache ein Stück Würde zurück.
Für eine freie, schöne und wahre Sprache
Die deutsche Sprache ist über Jahrhunderte gewachsen, verfeinert und erprobt. Gendern ist keine Verbesserung, sondern ideologische Anmaßung. Es spaltet gesellschaftlich und verunstaltet die Sprache – ästhetisch, funktional und kommunikativ. Es beschädigt nicht nur den Ausdruck, sondern auch das Denken.
Deshalb braucht es Menschen, die klar, freundlich und standhaft widersprechen. Wer für seine Sprache einsteht, steht für mehr als Worte – er steht für Freiheit. Für Wahrheit. Für Schönheit. Für seine Kultur. Und für die Würde des Denkens.