Die Dark-Wave-Szene ist kaum als rebellisch bekannt. Zwar gibt es oft starke Bezüge zur abendländischen Geistesgeschichte, insofern ist sie zumindest kulturkonservativ, doch offene Kritik an gegenwärtigen Mißständen ist selten; eher schwimmt man mit dem Strom. Miel Noir sind eine erfreuliche Ausnahme. Wir sprachen mit Marcel, dem kreativen Kopf der Band.
Marcel, du bist ja ein wahrer „Hansdampf in allen Gassen“; neben Miel Noir hast Du an zahllosen Projekten mindestens unterstützend mitgewirkt. Allerseelen, Fahl, Halgadom, Werra, Ill-Sanity, Stumpff, Svarrogh, Von Thronstahl, Barditus fallen mir auf Anhieb ein …
Wenn ich es richtig sehe, liegen deine musikalischen Wurzeln im Metal, und deine erste „ernsthafte“ Band war Ill-Sanity.
Wenn man als Indikator für „ernsthaft“ eine CD-Veröffentlichung nimmt, dann wäre davor noch die Hard Rock Band Moby’s Dick zu nennen. Mit der habe ich viele Konzerte gespielt und ein CD-R-Album veröffentlicht. Aber es stimmt, daß meine Wurzeln bezüglich Band-Musik im Hard Rock und Metal liegen. Wobei davor noch die klassische Musik lag. Ich habe seit der Kindheit Musik gemacht und in meiner Jugend auch schon bei CD-Aufnahmen mit Orchestermusik mitgewirkt.
Man kommt irgendwie rum, wenn man Instrumente spielt. Eine komplette Aufzählung aller Credits würde bei mir wirklich lange dauern. Wichtig ist halt auch, dass ich neben den verschiedenen Instrumenten und dem Gesang auch sehr oft das Produzieren beisteuere zu den Projekten und Bands. Mit einem eigenen Tonstudio ist es um einiges leichter, den erwähnten „Hansdampf in allen Gassen“ zu machen, weil man nicht auf Dritte angewiesen ist für Aufnahmen.
Werra war dein bislang „reinster“ Ausflug in den Neofolk; es gab zwei Alben, die sehr gut ankamen. Wird hier mit weiteren Arbeiten zu rechnen sein?
Die Gedanken dazu sind noch etwas unausgegoren, und die kommenden Fragen beziehen sich genau auf diese Geschichte. Also springen wir mal nach vorne, um dann wieder auf Werra zurück zu kommen.
Miel Noir ist Dein wohl wichtigstes Musik-Projekt. Dabei bist gar nicht Du der Gründer, sondern Dimo Dimov von der bulgarischen Folk-Ambient-Black-Metal-Band Svarrogh, oder? Wie genau waren die Ursprünge, wer ist heute mit dabei?
Dimo und ich hatten uns als Mitmusiker von Gerhard im Projekt Allerseelen kennengelernt, und zu der Zeit hatte er schon länger die eigene Band Svarrogh, bei der ich dann mitgewirkt habe. In beiden Fällen haben wir zuerst live gemeinsam gespielt und später dann auch bei Studio-Aufnahmen. Es war ein beständiges Zusammenarbeiten unter der einen oder anderen Überschrift.
Bei der ersten Veröffentlichung unter dem Namen Miel Noir haben wir alle mitgewirkt, aber nur Dimo hatte die Musik gemacht. Es war gewissermaßen Multimedia-Kunst: Ein Booklet mit Fotos einer gemeinsamen Kunst-Performance und eine eingeklebte CD-R mit Tonkunst. Gerhard und ich waren zwar mit Credits versehen, aber nur als „Visual Performers“.
Danach hatte Dimo noch instrumentales Material auf einer Split-EP und einer eigenen EP veröffentlicht. Das war gewissermaßen die Selbstfindungsphase von Miel Noir: Was tut dieses Projekt und wo will es hin?
Die Geburtsstunde der „Band“ war ein Festival in Madrid, bei dem wir ohnehin schon gebucht waren mit Allerseelen und Svarrogh (und ich zudem noch als Live-Musiker für Die Weisse Rose). Dort kam es relativ kurzfristig zu einem Ausfall einer anderen Band, und als ein Ersatz gesucht wurde, rief mich Dimo an mit der Idee, daß wir Miel Noir auf die Bühne bringen. Die Vorgabe für mich war „Kauf dir ein WahWah-Pedal für deinen Baß“, und als Gegenleistung für die zusätzliche Action (mit insgesamt vier Bands innerhalb von drei Tagen auftreten) gab es für mich ein Einzelzimmer im Hotel.
Der Auftritt, für den wir keine Probe und keinen richtigen Soundcheck hatten, war irgendwie magisch. Keiner von uns beiden wußte so genau, was der andere zu dem Hintergrundband vorbereitet hatte, aber das Publikum stand sofort drauf. Wir gingen nach dem erfolgreichen Auftritt von der Bühne mit den Worten „Das müssen wir so als Band aufziehen!“.
Damit war Miel Noir Mk2 geboren; es folgte die EP „Wabenheim“ und der ganze Rest …
Dein letztes größeres Projekt war ein Kooperationsalbum von Miel Noir mit den amerikanischen Neofolk-Urvätern von Changes, welches musikalisch eben recht neofolkig ausgefallen ist und textlich überraschend politisch … wie kam es zu der Zusammenarbeit?
Eines der Lieder auf dem Album ist Kyle Rittenhouse gewidmet. „They made us fall“ hingegen klingt nach einer bitteren Anklage gegen das linksliberale Establishment, welches dabei ist, die europäische bzw. westliche Kultur unwiederbringlich zu zerstören.
Bei der Geschichte dieser Veröffentlichung und dieser Zusammenarbeit sind zwei Konvergenzpunkte wichtig.
Nummer eins war das letzte Konzert der US-Neofolk Kultband Changes in Deutschland. Ich hatte das mitorganisiert und an dem Abend auch als DJ aufgelegt. Wir haben dann noch einen weiteren Tag mit unseren Freunden von Changes verbracht und im Rahmen der Nachlese dieses Konzerts kam Gerhard von Allerseelen auf Idee, daß es eine Zusammenarbeit von Miel Noir und Nicholas Tesluk geben sollte, da es bei dem zu der Zeit frisch fertiggestellten Miel-Noir-Album schon eine Zusammenarbeit mit Robert Taylor gab. Dann hätte man beide Changes Mitglieder mal bei Miel Noir gehabt. Aus diesem Impuls entstand die Akustikversion von „(In)tolerance“, die ursprünglich als Miel-Noir-Lied mit Nicholas Tesluk als Gastmusiker veröffentlicht werden sollte.
Nummer zwei war meine erste künstlerische Reaktion auf die Bürgerrechtseinschränkungen des Corona-Regimes in Form eines Texts mit dem Titel „They made us fall“, welchen ich für Werra geschrieben hatte. Als ich diesen jedoch meinem Gitarristen vorlegte, stellte sich heraus, daß dieser zu einem, wie ich es ihm vorgeworfen hatte, „Corona-Kommunisten“ mutiert war und all das, was ich kritisieren wollte, eben befürwortete.
Das durch den Text „They made us fall“ angestoßene Zerwürfnis mündete schließlich in einem Bruch, da ich das Gutheißen von menschenrechts- und verfassungswidrigen Maßnahmen gegen mich nicht von einem Freund akzeptieren kann. Irgendwo ist halt eine rote Linie überschritten, und das ist eindeutig meine gewesen. Aber da ich gerade zu diesem Zeitpunkt mit einem der einflußreichsten Neofolk-Gitarristen überhaupt ein Lied fertiggestellt hatte und somit eine Tür weit offenstand, habe ich kurzentschlossen Nicholas Tesluk angeschrieben und ihm den Text „They made us fall“ und eine grobe Melodiefolge unterbreitet.
Nicholas war vom Text begeistert und kam mit einer eigenen (brillanten!) Melodie zurück. Und ab diesem Moment eskalierte das immer weiter. Ohne den Wahnsinn des um sich greifenden Kommunismus unter der Flagge der „Gesundheit“ hätten wir uns sicher auch was miteinander ausgedacht, aber so war es ein bewußter Kulturkampf.Hinzu kamen noch das Thema der BLM-Ausschreitungen und der Fall des zu Unrecht angeklagten Kyle Rittenhouse, der offensichtliche Wahlbetrug der Linken in den USA und noch mehr, was uns gemeinsam auf die Palme gebracht hat, daß eine recht weltanschauliche Veröffentlichung dabei rauskam. Das Wort „politisch“ hat irgendwie zu viel Beigeschmack von „Parteien“ oder speziellen Personen. Ich bleibe bei „weltanschaulich“, weil es breiter gefaßt ist.
Wir haben Neufassungen von alten Liedern beider Gruppen aufgenommen und in unterschiedlichen Kombinationen neue Stücke verfaßt. Das Album und die Bonus-EP (sowie das nachgeschobene YouTube-Cover-Stück) sind ziemlich gute 50/50 Mischungen aus dem Stil von Changes und dem Stil von Miel Noir.
Werra hängt quasi noch mit dran; nicht nur, weil ich Material verwendet habe, das eigentlich für Werra geschrieben wurde, sondern auch, weil Nicholas von Changes das erklärte Vorbild des Werra-Gitarristen war. Es war schon ein besonderer Witz für mich dabei: „Du willst lieber für Abstands-, Masken- und Impfzwang sein, als mit mir Musik dagegen zu machen? Dann nehme ich halt dein großes Vorbild als Ersatz.“
Die Dark-Wave-Szene, welcher Miel Noir wohl zugerechnet werden kann, gilt als eher unpolitisch, die „Gruftis gegen rechts“ waren wohl ebenso eine Randerscheinung wie explizit rechte Projekte. Gab es wegen der politischen Themen bereits nennenswerte Schwierigkeiten?
Wie gesagt: Die Veröffentlichungen mit Changes, wie auch einige Stücke vorher schon bei Miel Noir, laufen bei mir unter „weltanschaulich“ und nicht „politisch“. Um politisch oder gar rechts zu sein, müßten die Aussagen spezifischer und weniger der Interpretation zugänglich sein.
Wobei das richtige Linke absolut nicht stört; für die ist eine Kanzler-Gerhard-Schröder-Rede heutzutage ein Neonazi-Text. Aber nach solchen Leuten richte ich mich nicht. Speziell wegen der Miel-Noir-Texte mit Changes habe ich (soweit ich das weiß) exakt eine Person weniger in meinem Freundeskreis, und das ist der o.g. Gitarrist von Werra.
Etwas frühere Linksradikale wie dieser Verein „Gruftis gegen rechts“ mochten zu ihrer Entstehungszeit schon mindestens zwei Projekte nicht, zu denen ich später hinzugestoßen bin. Namentlich Allerseelen und Von Thronstahl. Demnach mochten die mich schon nicht, bevor es Miel Noir gab, also egal. Kritik aus solchen Ecken nehme ich einfach nicht an.
Menschen wie diese tragen die Schuld daran, daß ich das letzte Konzert mit meinem zu früh verstorbenen Freund Tommi Stumpff nicht besuchen konnte. Denn das war „2G+“. Für mich gab es nur das private Probenraum-Konzert der Kultband „Der KFc“, aber nicht das große. Es ist ein kleiner Punkt in einer sehr langen Anklageliste, aber wenn man schon ein Musik-Interview gibt, dann gehört dieser Punkt genau hier hin.
Sollten Künstler sich überhaupt politisch engagieren?
Gute Frage. Künstlern wird politisches Engagement nur zum Vorwurf gemacht, wenn man es mit dem Verrat früherer Ideale in Verbindung bringt oder wenn es das Aufspringen auf einen großen Zug ist (Stichwort: Gratismut!), obwohl man vorher niemals politische Äußerungen von sich gegeben hat.
Bei mir gibt es in meinen Texten meine Gedanken, meine Ideen und meine Ideale. Das ist weltanschaulich, aber nicht politisch. Als Künstler würde ich in einem Lied und auf einer CD keine Wahlempfehlung geben. Solche Entscheidungen soll jeder selbst treffen. Abseits des Künstler-Lebens kann es anders zugehen. Als Komponist und Texter biete ich eine Palette von Interpretationsmöglichkeiten an, die mal größer und mal kleiner ist. Aber es ist immer noch Kunst und kein politischer Aufsatz oder eine Ansprache.
Gut finde ich die Äußerungen zu Grundsatzfragen, wie z.B. die Äußerungen zu den Freiheitsrechten, die unter dem Deckmantel der Bekämpfung von Corona oder von Falschinformationen eingeschränkt wurden. Diese Äußerungen von Künstlern würde ich auch als weltanschaulich, aber nicht politisch einordnen, aber das ist eine Frage der Definition. Andere empfanden dies eindeutig als politisch. Unabhängig von der Definition hatten die Künstler Recht, und die angeblichen Falschinformationen waren in Wahrheit die richtigen Informationen.
In den Corona-Jahren ist die rebellische Musikszene beträchtlich gewachsen, insbesondere aus dem Hip-Hop-Bereich haben bemerkenswert viele Künstler Stellung bezogen. Wie siehst Du die jüngste Entwicklung im Bereich dissidenter Musik?
Die schwarze Szene hat sich in dieser Zeit wirklich nicht mit Ruhm bekleckert. Da hätte viel mehr kommen müssen. Viel vom Rebellen-Ruf ist abgebröckelt, liebe Konformisten mit Kajal! Ich bin nie wirklich warm geworden mit Hip-Hop Musik, aber den Dissidenten aus dieser Ecke zolle ich offen Respekt. Ihr habt mich nicht zum Hüpfer und Schnellsprechgesang-Fingerwedler gemacht, aber ich ziehe den Hut vor dem Engagement dieser Jugendkultur, wo sich die echten Rebellen nach vorne gestellt haben.
Die neuesten Entwicklungen gehen eher in Richtung Polarisierung: Diejenigen, die Angst haben, sagen gar nichts mehr. Denn sie könnten ja die falsche Meinung von sich geben, und dann wäre ja alles vorbei. Und diejenigen, die keine Angst haben, lassen es richtig krachen. Denen ist es egal und die haben Spaß daran, die rot-grünen Kommunisten und die hinterher wackelnde Schafherde von Tagesschau-Opfern vors sprichwörtliche Schienbein zu treten.
Es mag schade sein um manche Zerwürfnisse, aber unsere Gesellschaft scheint das zu brauchen, da das kommunistische Krebsgeschwür sich zu weit ausgebreitet hat, um noch „nett“ darauf hinzuweisen. Es braucht etwas mehr künstlerischen Nachdruck. „They made us fall“ ist ein gutes Beispiel für ein schönes Lied mit einem Text, der alles ist, aber bestimmt nicht „nett“.
Was erwartet uns als Nächstes? Vielleicht eine Zusammenarbeit von Marcel P. mit Kanye West?
Als jemand, der nur zwei Lieder dieses Künstlers kennt und sonst nur Interviews und Podcasts mit ihm, sage ich einfach mal ja. Es wäre sicherlich interessant. Kontrovers bin ich durch Mitmusiker wie Gerhard (Allerseelen), Josef (Von Thronstahl), Frank (Halgadom), Uwe (Barditus) oder auch Arditi ohnehin schon. Und wenn schon Hip Hop, dann aber sofort aus dem obersten Regal.
Tatsächlich geplant ist als nächstes das Allerseelen-Album „Toteninsel“. Das ist fertig. Dann gibt es das, aktuell zumindest, „Scars“ betitelte Miel-Noir-Album, das zu etwa 60 % fertig ist. Abgesehen davon gibt’s diverse Gastbeiträge bei verschiedenen Projekten. Dieses und jenes. Gemeinsame Aktionen mit Freunden. Langweilig wird es bei mir bestimmt nicht.
Abschließende Worte für die Leser des Thymos-Magazins …
Wenn Ihr Miel Noir noch nicht kennt, dann hört mal rein! Es ist sehr abwechslungsreiche Musik und ein Projekt, das in unterschiedlichen Bereichen der schwarzen Musikszene geschätzt wird. Teilweise für die Electro-Club-Stampfer, teilweise für die Gothic-Rock-Stücke und inzwischen auch für Neofolk-Ohrwürmer. Es ist ehrliche Musik, bei der viele bekannte Künstler bereits als Gäste mitgewirkt haben. Dazu zählen Tommi Stumpff (die EBM-Ikone), Darkness on Demand (ehemals bekannt als Dance or Die), die ehemalige Gitarristin von Alien Sex Fiend, Sathorys Elenorth (Der Blaue Reiter) und viele mehr.
Kurzum: Es ist für jeden was dabei. Also viel Spaß beim Entdecken!
Vielen Dank für die Beantwortung unserer Fragen!
Die Fragen stellte Rudolf Seitner (Sonnenkind).
Links zu Marcel P. und Miel Noir:
https://www.facebook.com/mielnoirscapes
https://mielnoir.bandcamp.com/album/defiance-album
https://www.youtube.com/channel/UCY50q4SfJg4J5UG0jocEPHQ
https://www.discogs.com/artist/1086789-Miel-Noir