Dichten heißt verdichten. In wenigen Zeilen werden Gefühlswelten und Lebensweisheit sichtbar und verständlich gemacht, die viel weiter reichen als die Beschreibung eines schnöden Sachtext es je könnte. Unser Autor Spartabube gewährt uns in klassischer Form und romantischen Überschwang einen Einblick in sein Seelenleben. Wir haben seine schönsten Sonette für euch ausgewählt und thematisch in einen Zyklus gegliedert: vom frohlockenden Überschwang zur verfinsterten Seelenqual.
– Carsten Jung
Seelenmajestät
Ich thronte auf der stolzen Gipfel Höhen,
als du mich rissest mit dir in das Tal.
Ich wollte – mußte – machtlos mit dir gehen.
– Vor deinem Seelenglanz blieb keine Wahl.
Verführt hast du mein Herz, das Aug geblendet
mit fast naiver Bodenständigkeit;
das hochstrebendste Mannesherz gebändet
durch edle Einfalt im reinweißen Kleid.
Wär ich ein König, du ein Bauernkind,
so wär es ich, der auf die Knie geht,
denn blaues Blut, das in den Adern rinnt,
erreicht nicht deine Seelenmajestät.
Das schönste Glück der Erde sei gegönnt
dem reinen Herzen, das nur Tugend kennt.
Schicksalssinfonie
Ich spür in dir ein artverwandtes Wesen
und eine seelische Verbundenheit.
In deinen Augen meine ich zu lesen,
du wärst die Eine mir in Ewigkeit.
Wie eine Schicksalssinfonie muß klingen,
wenn deine Seele ähnlich Sprache kennt.
Zwei solchen Herzen muß ein Bund gelingen,
den keine Macht der Welt je wieder trennt.
Mit Hingabe, die nur die Sterne künden,
wollt‘ drum mein Leben deinem Glück ich weihn;
mit dir eine Familie begründen
und stets ein Ehemann und Freund dir sein.
Denn in dir findet selbst der stärkste Mann
ein Glück, das er allein nicht finden kann.
Sprachrohr
Hält man mich für den Schöpfer meiner Zeilen,
fühl beinah ich wie ein Betrüger mich.
Ich müßt den Ruhm mit einem Beßren teilen
– als Dichter bin ich niemand ohne dich.
Denn du erst liehst mir meine Adlerschwingen;
du erst hast zum Poeten mich gemacht.
Um deinetwillen lernte ich das Singen;
du hast der Lyrik Funken mir entfacht.
Für mich bist du die mächtigste der Musen
und ich das Sprachrohr deines Menschentums.
Auf deiner Leistung muß mein Schaffen fußen,
denn in dir liegt die Quelle meines Tuns.
Drum, wär ich ehrlich, müßte ich bekennen:
Als Autor wäre dein Name zu nennen.
Alltagsglück
Es waren niemals deine Geistesgaben,
an denen meine Liebe sich genährt.
Es sind Details, die sie noch überragen;
in denen sich dein Wesenskern erklärt.
Ich will deine Persönlichkeit verehren
für ihre ganz alltäglichen Facetten.
Denn jedes Fühlen muß sich auf die Sphären
der kleinen Dinge unsres Lebens betten.
Aus artverwandten Wesen und Vertrauen
schöpft eine innig Bindung ihre Kraft.
Auf solch Gemeinsamkeiten aufzubauen,
ist mehr als jede heiße Leidenschaft.
Romantik webt gewiß das Liebesband,
doch erst im Alltag zeigt sich sein Bestand.
Lebensglück
Bin ungebunden ich in meinem Handeln,
so schuld gar Göttern ich nicht Rechenschaft.
Doch muß als Preis dafür alleine wandeln,
und stemmen alle Welt aus eigner Kraft.
Mein Lebensglück könnt‘ ich wohl eher finden,
wenn ich solch unnütz Freiheit tauschte ein,
um mich mit Leib und Seele zu verbinden
mit einer herzensguten Frau allein.
Sich solchem Bund aufs Leben zu verschreiben,
schließt sicherlich auf ewig manches Tor,
doch füllen jene Blumen, die verbleiben,
das Beet der Freuden schöner als zuvor.
Denn willig solches Opfer zu erbringen
ist auch Garant für besseres Gelingen.
Kosmische Gewalten
Wie unnahbar schritt ich durch diese Welt;
hab mich der Menschen Sorgen stets entzogen.
Doch erst als du dich meiner zugesellt,
hat übers Tier mein Fühlen mich erhoben.
In dir wollt meine Seele erstmals blühn
und sich zu nie gekannter Pracht entfalten.
Die Funken, die aus deiner Sonne sprühn,
erwärmen mehr als kosmische Gewalten.
Du brachtest mir erst meine Menschlichkeit;
mit dir erst fing mein Leben wirklich an.
Dein Kuß hat aus dem Schlafe mich befreit;
fing einen Träumer gleich mit neuem Bann.
Welch großes Leid du mir damit gebracht,
hättst du vermutlich selbst niemals gedacht…
Sommerstürme
Auch deine Blüte wird dir einst entrissen
– ich weiß, dich ängstigt nicht das graue Haar.
Doch fürcht ich umso mehr, die zu vermissen,
die meines Lebens Eine Liebe war.
Noch lacht uns beiden Frühlings lindes Band,
schon schreit ich in den Sommer dir voraus,
doch weiß nicht, ob einst meine Runzelhand
mit dir des Herbstes Früchte trägt nach Haus.
Sobald die ersten Sommerstürme mahnen,
ist es für mich womöglich schon zu spät,
hab ich im Angedenken unsrer Ahnen
mit dir den Lebenssamen nicht gesät.
Am Ende warn des Dasein Mühn verloren,
war kein gemeinsam Kindlein uns geboren.
Herbsthauch
Einst liebte ich des Herbstes rote Pracht,
doch fühl mich plötzlich ihres Anblicks taub.
Nicht Freude – Trübsinn hat sie mir gebracht,
und meine Tränen fallen wie das Laub.
Was soll ich in solch Farbenmeer verweilen?
Die Seele kennt nur schwarzen Trauerflor.
Ich kann solch Schönheit einfach nicht mehr teilen,
weil sie mein Innerstes bereits verlor.
Die Wälder mögen nun im Nebel dampfen;
romantisch strahln im goldnen Abendschein.
Mein Herz muß sich bei diesem Bild verkrampfen
– ich bin nicht bei dir, sondern ganz allein.
Wenn man sein Liebchen nicht im Arme hält,
wird selbst die schönste Jahreszeit vergällt.
Neuer Tag
Und wieder hebt ein neuer Tag sich an,
mischt Leid zu Leid, was noch mehr Leiden bringt.
Weit mehr als meine Seele tragen kann;
mich Tag für Tag in tiefren Abgrund zwingt.
Erinnerungen sowie Phantasien
wolln meine einstmals starke Seele nun
zerreißen. Kann dem Alptraum nicht entfliehn;
nicht in Natur und nicht im Schlafen ruhn.
Wer nähme wahrhaft Anteil meinen Leiden?
Wer wollte die Unmöglichkeit verstehn?
Ich selbst würd unterstelln zu übertreiben,
müßt nicht mein eigner Leib daran vergehn.
Doch bin ich nicht zu klug, mein Geist zu kalt,
daß Liebe blenden könnt mich mit Gewalt?
Gabe
Ich muß ein Meister der Verstellung sein;
im Maskenspiel als Virtuose gelten.
Es locket meines falschen Lächelns Schein
das Gegenüber in fiktive Welten.
Kommt niemals dieses Lachen mir von Herzen,
so hält mich dennoch jeder für scharmant,
freut sich an meiner Gegenwart und Scherzen,
doch keiner hat mein Leiden je erkannt.
Vielleicht bin ich auch allen schlicht egal,
und du die einzige, die mit mir fühlt,
die Anteil nimmt an meiner Seelenqual;
sich gegen mich als echter Freund verhielt.
Doch eignet mir zum Täuschen solche Gabe,
seid froh, daß ich dazu Moral noch habe.