Der Glaube, der Mensch könne die Technik beherrschen und wie ein Werkzeug verwenden, ist auf die harte Realität geprallt. Das Gegenteil ist der Fall: Wir werden von der Technik manipuliert und beherrscht. Internet, Videos, Filme, Nachrichten…bringt euch in Deckung, das Bombardement mit Informationen und Reizen hat begonnen! Immer neuer, immer schneller, immer krasser. Gezielt triggert die Technik menschliches Suchtverhalten. Es ist Zeit abzuschalten.
(A)soziale Medien – Reizüberflutung mit System
Die Spitze des Eisbergs ist TikTok, wo die einzelnen Clips nur wenige Sekunden dauern, auf primitivste Weise Reize auslösen und dadurch Dopamin ausschütten sollen. Und nach einem Videoschnipsel kommt direkt der nächste. Diese maximale Reizung der Sinne muss schließlich zu einer Abstumpfung führen.
Aber machen wir uns nichts vor, andere Plattformen sind nicht viel besser und der Begriff „Sozialen Medien“ entpuppt sich als ein hämischer Euphemismus. Jede dieser Seiten versucht systematisch, die Menschen an sich zu binden, damit sie sich den nächsten Informationskick holen.
Am Beispiel von Twitter sehen wir, dass ein solches System uns nicht erhebt und das Gute im Menschen anspricht, sondern uns zu Primitivität verführt. Wir suchen Bestätigung und Anerkennung und wer dies in Form von Likes und Followern bekommen möchte, muss die Masse ansprechen. Und um in der Flut an Tweets überhaupt aufzufallen, beginnt man zu provozieren und zu trollen. Es gewinnt nicht die Qualität, sondern derjenige, der über die Stränge schlägt, bekommt die größte Aufmerksamkeit. Es macht Abhängig und ist dabei eine latente Verführung zum Minderwertigen.
Smartphone – Taschencomputer als Begleiter
Da ich ein alter Sack bin, kann ich mich noch an die Zeit erinnern, als es keine Smartphones gab. Ja, das ist heute unvorstellbar. Damals nutzten die Leute noch Dinge wie Taschenrechner, MP3-Player oder Gameboys. Das Handy war zum Telefonieren und SMS-Schreiben.
Stellen wir uns vor, damals hätte jemand immer seinen Taschencomputer in der Hand gehabt und würde die Umgebung gar nicht mehr wahrnehmen. Man hätte ihn für einen Nerd gehalten und (zurecht) gemobbt! Heute schieben die Mütter ihren Kinderwagen und glotzen nur noch aufs Smartphone. Die Dauerberieselung ist mobil geworden und unser ständiger Begleiter.
Noch vor Grammophon und Lichtspielhaus war Musik oder eine Theateraufführung etwas Besonderes, denn es musste aktiv von Menschen gemacht werden. War kein Musiker in der Nähe, dann gab es eben keine Musik! Dank moderner Technik sind Medien überall und jederzeit verfügbar. Wie das zu einer Überlastung durch Reize führt, möchte ich am Beispiel des Ohrs schildern.
Überlastung des Ohrs
Geht man an einem sonnigen Tag in den Stadtpark, sieht man die Leute mit ihren Ohrenstöpseln herumlaufen. Anstatt den Geräuschen zu lauschen (es soll sich sogar mal ein Vogel in die Stadt verirrt haben!), dröhnt man sich weiter mit Lärm zu. Im Auto läuft das Radio, im Supermarkt die Werbung, zu Hause dann Spotify. Wer kann da noch zur Ruhe kommen?
Und die Musik selbst? Billige Effekthascherei. Dröhnende Bässe, kreischende E-Gitarren, Gesang mit Autotune. Die Musik ist immer lauter und trivialer geworden. Daneben treibt uns moderne Musik auch mit ihrer Geschwindigkeit an, die weit über unserem Ruhepuls liegt. Hektische Musik für eine hektische Zeit. Wie erholsam ist dagegen Stille! Erst wer die Stille kennt, kann verstehen, weshalb die Konservativen im letzten Jahrhundert Rockmusik zuerst für Lärm gehalten haben.
Als Ergebnis der ständigen Beschallung können wir überhaupt nicht mehr wertschätzen und differenzieren. In „Klang und Verwandlung – Klassische Musik als Weg der Bewußtseinsentwicklung“ schreibt Jochen Kirchhoff als ersten Hinweis zu einem intensiven Musikerlebnis: „Zerschlage die akustische Glocke, soweit es möglich ist, und versuche dich dem Klangbrei der Trivialmusik zu entziehen.“
Hängen am Tropf der Technik
Manch einer glaubt, der Transhumanismus wäre bloß eine düstere Zukunftsvision, weil uns bisher noch keine Chips eingepflanzt werden. Aber habt ihr auch schon mal beobachtet, wie nach einer Überdosis Medienkonsum das eigene Ich zerfließt? Wie man vor dem Bildschirm klebt und Raum & Zeit verschwimmen? Wir hängen bereits am Tropf der Maschinen, ohne es uns eingestehen zu wollen.
Immer mehr unserer Lebenswirklichkeit wird in die digitale Welt verlagert. Arbeiten im Homeoffice, Einkaufen beim Onlinehändler und wenn wir dann mal das Haus verlassen, zeigt uns das Navigationssystem den Weg. Anstatt Freunde und Familie um Rat zu fragen, tippen wir die Frage schnell bei Google ein. Auch diesen Text hier schreibe ich selbstverständlich am Rechner.
Das ganz perfide an dem System: Bist du von den vielen Reizen und Informationen überflutet und brauchst eine Auszeit, dann kommt schon wieder die Technik um die Ecke: „Hey, wenn du dich entspannen willst, dann höre doch Musik, spiel ein Spiel oder schau dir eine Serie an!“ Dabei ist der beste und effektivste Weg sich zu entspannen: Nichts tun.
Abschalten – Wieder ein ganzer Mensch werden
Erst, wenn wie die technischen Geräte ausschalten und beiseitelegen, kommen wir dazu, unsere Gedanken zu sortieren. Wir reflektieren die Dinge, die wir erlebt haben, bekommen neue Ideen und planen für die Zukunft. Wir kommen zur Ruhe und sind im Einklang mit uns selbst.
Wer sich fürchtet, mit sich selbst allein zu sein, der wird Angst vor der Stille haben und sich in die Berieselung flüchten, anstatt sich selbst gegenüber zu treten.
Im Folgenden ein paar Tipps zur Entschleunigung:
- Unterwegs das Smartphone in der Hosentasche lassen oder besser noch: Es gar nicht erst mitnehmen. In der richtigen Welt gibt es immer etwas zu entdecken, man muss nur darauf achten.
- Keine Musik im Hintergrund dudeln lassen!
- Abends um eine feste Uhrzeit die technischen Geräte ausschalten/das Smartphone weit weglegen.
- Wenn der Kopf mal wieder raucht: Einfach mal für eine halbe Stunde (gerne auch länger) aufs Sofa legen oder einen Spaziergang machen
Aus Erfahrung kann ich sagen: Ihr werdet entspannter sein und bessere Ideen haben. Man ist präsenter im hier und jetzt und auch netter zu seinen Mitmenschen.
Wie viel Medienkonsum ist ok?
Zum Abschluss muss ich noch auf die offensichtliche Frage eingehen: Wenn ich Medienkonsum für ungesundes Teufelszeug halte, warum bin ich Redakteur eines Kulturmagazins, das über Computerspiele, Filme und Musik berichtet? Macht mich das nicht zu einem Teil des Problems?
Nun, wie immer im Leben, kommt es auf das richtige Maß an. Mit Freunden am Wochenende zusammen ein paar Bier zu trinken ist ok. Auf der anderen Seite wird der Alkoholiker in den Abgrund gerissen. Es ist auch die Unterscheidung zwischen Konsum und Genuss.
Ich denke, heute hat jeder etwas, das er zu viel konsumiert und wo er sich beschränken sollte. Der eine ist zu viel auf Twitter, der andere schaut zu viele Serien. Manch einer liest vielleicht sogar zu schnell zu viele Bücher! Uns etwas zu beschränken und zur Ruhe kommen, das tut uns gut.
Daneben gibt es die Frage: Wenn ich denn mal Medien bewusst nutze, was soll ich denn anschauen oder anhören? Was hat einen wahren Kern und ist seine Zeit wert? Und hier kommt Thymos ins Spiel. Hier findet ihr Populärkultur, die nicht nur stumpfer Konsum ist, sondern das gewisse Etwas besitzt.