Es gibt Hunderte Western, die das Aufeinanderprallen von Cowboys und Indianern zeigen. Umso erfrischender ist es, dass der britische Regisseur J. Lee Thompson die Abenteuergeschichte über die Flucht auf einer alten Dampflokomotive nach Nordwestindien verlegt. Hier eskaliert der Konflikt zwischen Moslems und Hindus: Muslimische Rebellen haben sich in den Bergen gesammelt, jetzt drängen sie zum Angriff!
Flucht vor den Moslems
Ziel ihres Vorstoßes ist es, einen kleinen Jungen zu töten, den Sohn des hinduistischen Maharadschas. In aussichtsloser Lage bittet sein Vater die Engländer um Hilfe. Diesen gelingt es tatsächlich in letzter Sekunde, den Jungen aus dem Palast in die Festung Haserabad zu schaffen. Auch die flüchtenden Menschenmassen erhoffen sich Schutz hinter den Mauern der Stadt. Allerdings befürchten die britischen Offiziere, dass sie einem Sturm der Muslime nicht standhalten werden.
Für einen Ausbruch scheint es zu spät: Alle Züge sind abgefahren und die Muslime beginnen, die Stadt weiter einzukesseln. Da gelingt es, eine bereits ausrangierte Lokomotive aufzutreiben und für die Mission startklar zu machen. Es ist der Beginn einer abenteuerlichen und gefährlichen Fahrt durch Indien, mit den Verfolgern dicht auf den Fersen; eine Reise, die durch ein Land im Ausnahmezustand führt, in dem die Regeln der Zivilisation keine Gültigkeit mehr besitzen. In klassisch filmischer Manier hat sich auf dem letzten Zug eine bunte Gruppe gegensätzlicher Persönlichkeiten zusammengefunden. Die gefährliche Lage zwingt sie, zusammenstehen und Mut, Kreativität und Menschlichkeit zu beweisen.
Einordnung des historischen Hintergrunds
Werfen wir einen Blick auf den historischen Hintergrund. Der Islam drang bei seiner aggressiven Expansion bis nach Indien vor und konnte zu der Zeit der Großmogule weite Teile des Landes unter seine Herrschaft zwingen. Seitdem prallen die gegensätzlichen Identitäten und Kulturen aufeinander. Immer wieder kam es zu Massakern. Der Konflikt führte schließlich zur blutigen Teilung des Landes, bei der Millionen Menschen ihre Heimat verloren.
Vor diesem Hintergrund steht „Brennendes Indien“ dem linken Narrativ entgegen, dass den Weißen Mann als alleinigen Unterdrücker sieht, der die friedlichen Völker der Welt versklavt hat – dieser Konflikt ist weit älter als die britische Besatzung. Auch wenn sich die Briten im Film als eine Macht der Ordnung inszenieren, ähnlich wie wir es von den Amerikanern heute kennen, führt dies jedoch nicht zu einer Verherrlichung der Kolonialzeit.
Die Hauptfiguren
Auch die Charaktere verdienen unsere Aufmerksamkeit. Geleitet wird das riskante Unternehmen von dem britischen Kapitän Scott. Als Soldat ist er praktisch veranlagt, packt mit an und übernimmt die Verantwortung. Er ist kein amerikanischer Held, der immer, cool und lässig aussehen muss, möglichst noch mit einer Zigarette im Mund. Ebensowenig ist er ein Prahlhans oder Frauenschwarm, sondern ein Macher. Als Verkörperung soldatischer Tugenden gelingt es ihm, auch in brenzligen Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren. Scott sind zwei indische Soldaten unterstellt, die mit einem Maschinengewehr den Zug beschützen.
Mit an Bord ist auch die Amerikanerin Catherine Wyatt, deren verstorbener Mann Arzt war und sie mit nach Indien brachte. Sie hat dem Maharadscha versprochen, den Jungen zu beschützen. Gespielt von Lauren Bacall, nimmt Catherine eine starke und selbstbewusste Frauenrolle ein. Einerseits hat sie kein Problem, dem Kommandanten offen ihre Meinung zu sagen, andererseits ist sie sich auch nicht zu fein, den Soldaten Tee zu bringen. Damit steht sie den modernen Feministinnen mit ihren Minderwertigkeitskomplexen entgegen, die immer nur jammern. Die Welt braucht wieder mehr aufrechte Frauen, die zu ihrer Weiblichkeit stehen und Röcke tragen!
Der Lokführer und der Bösewicht
Dann gibt es noch den etwas verrückten, aber erfahrenen Lokomotivführer Gupta. Obwohl er als Pazifist nicht an den kampfhandlungen teilnimmt, ist er aufgrund seines technischen Wissens essenziell ist für die Mission. Dazu gesellen sich ein älteres britisches Geschwisterpaar, der Waffenverkäufer Peters und der aufdringliche Journalist Van Leyden.
Van Leyden ist der Antagonist des Films und für uns von besonderem Interesse, denn er verkörpert Identitätsverlust und Radikalisierung. Mit einer niederländischen Mutter und einem indischen Vater steht er zwischen den Welten. Die anderen Fahrgäste nehmen ihn lediglich als Holländer wahr, der sich als Journalist mit seinen scharfen Worten für die Unabhängigkeit Indiens einsetzt. Was sie nicht wissen: Van Leyden sieht sich nicht nur als Inder, er ist Moslem. Und er möchte die Chance nutzen, sich selbst seine Identität und Loyalität zu beweisen.
Englische und deutsche Fassung
Die deutsche Fassung ist circa 30 Minuten kürzer als das englische Original „North West Frontier“, welches sich etwas mehr Zeit nimmt, die Charaktere zu beleuchten. Es ist jedoch nichts Wesentliches gekürzt worden, weshalb ich die deutsche Version bedenkenlos empfehlen kann. Die Geschichte ist spannend erzählt und so wird der Film trotz seines Alters nie langweilig.