Auf einem klapprigen Karren mit einem toten Gaul zieht er los, um die Seelen der Verstorbenen fortzuholen. Das ist der Fuhrmann des Todes. So kann auch dein Schicksal aussehen! Denn wer an Silvester genau um Mitternacht stirbt, der ist verdammt, für das kommende Jahr zum Handlanger des Todes zu werden.
Dieser schaurige Mythos ist der Aufhänger eines komplexen Dramas, dass eine tiefgreifende und tragische Geschichte erzählt, die viele Themen zu einem dichten Netz verwebt: Die soziale Frage mit Alkoholismus und Krankheit, aber auch Religiosität, Glaube, Schuld und Erlösung.
Protagonist als Alkoholiker und Widerling
Das Milieu des Films ist das Prekariat, das in Folge der Industrialisierung im 19. Jahrhundert entstand. Zu ihm gehört auch Protagonist David Holm, ein Alkoholiker und Widerling, der von Regisseur Sjöström selbst gespielt wird. Frau und Kinder lässt er im Stich, stattdessen treibt er sich in Kneipen herum. Sein Verhalten stürzt die Familie letztlich in die Armut. Zerlumpt und unrasiert landet auf der Straße und im Obdachlosenheim.
Das weckt Mitleid, denn er scheint bloß das Opfer widriger Umstände zu sein. Nach und nach stellt sich jedoch heraus, dass er ein gehässiger und rachsüchtiger Mann ist, der ganz genau weiß, was er tut. Hämisch wünscht er seinen Mitmenschen nur das Schlechteste. Rücksichtslos stiftet er sie zum Trinken an und zieht sie ebenfalls in den Alkoholismus. Doch Holm hat keine Ahnung, welches düstere Schicksal im bevorsteht.
Mit der Wendung vom Opfer zum Täter erteilt der Film eine Absage an die Milieutheorie, welche alle Handlungen auf die sozialen Umstände zurückführt. In unserer linken Gesellschaft ist die Milieutheorie ein gängiges Werkzeug, das alle sozialen Differenzen mit den fehlenden Chancen am Arbeitsmarkt erklärt. Dabei werden nicht nur entscheidende kulturelle Faktoren ausgeklammert, mit diesem Kniff werden ganze Gesellschaftsschichten ihrer persönlichen Verantwortung enthoben und jegliche Schuld wird auf die Mehrheitsgesellschaft projiziert!
Naive Hilfsbereitschaft mit katastrophalen Folgen
Eines Tages trifft Holm auf Schwester Edit, einer jungen Frau der evangelischen Heilsarmee, die sich um Obdachlose kümmert. Mit ihrem guten Willen und ihrer Menschlichkeit ist sie das genaue Gegenteil zu dem rohen und verkommenen Holm. Zuerst scheint Edit mit ihrer Reinheit und Hingabe das Idealbild einer Frau zu verkörpern. Sie denkt nicht an sich, sondern immer daran, wie sie den Armen und Bedürftigen helfen kann. Doch als sie auf David Holm stößt, entpuppt sich ihre naive Hilfsbereitschaft als links. Er lacht sie für ihre Bemühungen aus und denkt gar nicht daran, sich zu bessern.
Die bedingungslose Hilfsbereitschaft ist ins Falsche verkehrt und so opfert sich Edit für den Undankbaren auf. Ihre Bemühungen sind nicht bloß umsonst, sie führen auch zu katastrophalen Folgen. Erst als sie krank wird und auf dem Sterbebett liegt, wird ihr bewusst, welchen Schaden sie angerichtet hat. Aber sie kann ihre Fehler nicht mehr rückgängig machen. Sie hat sich in eine wahnhafte Hypermoral hineingesteigert mit dem Glauben, durch ihr Handeln das Wesen von Holm verändern zu können.
Überdehnte Familienmoral
Unwillkürlich drängt sich die Sichtweise des Anthropologen Arnold Gehlen auf, für den der linke Humanitarismus eine Ausweitung und Überdehnung der Familienmoral auf die ganze Gesellschaft war. Denn anstatt sich mit Herzblut um eine eigene Familie zu kümmern, richtet Edit ihre ganze Kraft darauf, einen hasserfüllten Alkoholiker zu versorgen. Sie verweigert sich der Realität und glaubt aus ihm einen besseren Menschen machen zu können. Damit nimmt der Film visionäre das linke Wesen vorweg, das heute ganz Schweden in den Abgrund reißt.
Zu der Zeit Sjöströms war das Steckenpferd der Linken noch das Proletariat, heute sind es die Ausländer. Schweden hat die Tore für Massen kulturfremder Einwanderer geöffnet. Trotz des ungeheuren Schadens, den sie mit Kriminalität und Überfremdung anrichten, gelten sie als missverstandene Unschuldslämmer. Die Lage für Schweden und Westeuropa scheint so aussichtslos, dass wir letztlich nur auf ein Wunder hoffen können.
Meilenstein der Filmgeschichte
Der schwedische Regisseur Victor Sjöström schuf mit seiner Verfilmung des gleichnamigen Romans von Selma Lagerlöf einen der bedeutendsten Stummfilme überhaupt, ein finsteres, aber auch packendes und emotionales Meisterwerk. Der Mystizismus wird hervorragend dargestellt. Mit Überblendungen schafft der Film eine Welt der Seelen, die ihren Körper verlassen können. Doch es sind nicht die Spezialeffekte, die den Film ausmachen. Es sind schauspielerische Leistung, Kamera und Schnitt, durch die er seine Wirkmacht entfaltet und deretwegen er uns auch nach 100 Jahren noch berührt. Durch seine verschachtelte Erzählstruktur mit mehreren Rückblenden startet der Film mitten im Geschehen und zieht uns direkt in seinen Bann.