In einer Welt, die zunehmend von Schnelllebigkeit, Oberflächlichkeit und einer fragwürdigen Vorstellung von Modernität geprägt ist, erleben wir derzeit die Renaissance eines Stils und vielleicht auch einer Lebenshaltung, die in der Vergangenheit wurzelt: Der „Old Money“-Trend. Diese Bewegung, die ursprünglich ca. 2010 in den USA entstand, findet seit einiger Zeit via TikTok auch in Europa immer mehr Anhänger. Sie steht für weit mehr als nur Mode oder Ästhetik; sie ist Ausdruck einer tiefen Sehnsucht nach Beständigkeit, nach Werten, die sich über Generationen bewährt haben. Ob dies jedoch so auch von der Masse aufgefasst und gelebt wird, gilt es zu prüfen.
Die Rückbesinnung auf das Echte
Der „Old Money“-Stil, der sich durch klassisch-elegante Kleidung, diskreten Luxus und eine subtile Ästhetik auszeichnet, steht im scharfen Kontrast zu den grellen und oft vulgären Auswüchsen der zeitgenössischen Popkultur. Während der Mainstream immer mehr in eine Kultur des „mehr, schneller, lauter“ abgleitet, besinnt sich der Stil auf Qualität statt Quantität und auf Zurückhaltung statt Prahlerei.
Diese Bewegung hat das Potenzial, mehr als eine Modeerscheinung zu sein. Der Trend kann in einer Zeit, in der die Jugend orientierungslos von Trend zu Trend springt, einen Anker bieten, um den degenerierten und auf das Individuum bezogenen Status Quo zu hinterfragen.
In einer Zeit, in der traditionelle Werte und kulturelle Wurzeln zunehmend infrage gestellt werden, bietet der Trend eine Rückbesinnung auf das, was wirklich zählt: Familie, Tradition, Bildung und Verantwortung. Es ist kein Zufall, dass gerade jetzt, in Zeiten globaler Unsicherheiten und kultureller Desorientierung, das Bedürfnis nach Stabilität und Verlässlichkeit wächst.
Die Symbolik des Alten Geldes
„Old Money“ steht für eine Erhabenheit, die sich nicht nur durch materiellen Reichtum definiert, sondern vielmehr durch eine tiefe Verwurzelung in die Kultur und eine lange Geschichte. Diese Kultur ist geprägt von einem Verantwortungsbewusstsein, das über das Individuum hinausgeht und die Gemeinschaft und das Erbe in den Vordergrund stellt. Die Menschen, die sich diesem Stil verschreiben, tragen nicht einfach nur teure Kleidung – sie verkörpern eine Lebenshaltung, die auf Generationen aufgebaut ist.
Anders als unsere Eltern- und Großelterngeneration es immer behaupten, ist das Phänomen der „ich-bezogenheit“ kein neues. So hat allerspätestens die Boomergeneration vergessen, dass die Geschichte nicht mit ihnen startet, respektive endet. Als Beispiel ist hier der Prototyp-Boomer zu nennen, welcher gegen Lebensende sämtliches Vermögen auflöst und für AIDA-Reisen oder einen Campingwagen eintauscht, ungeachtet dessen, dass die Erblinie nicht mit ihnen endet. „Das ist unser Geld und wir machen uns damit ein schönes Leben“ ist in meinen Unterhaltungen mit Boomern nicht nur einmal gefallen.
Während die neuen Reichen, das „New Money“, oft durch auffällige Zurschaustellung ihres Wohlstands und durch eine konsumorientierte Lebensweise auffallen, repräsentiert „Old Money“ eine stille, aber tiefe Überzeugung: Reichtum verpflichtet. Es geht um eine implizite Verantwortung gegenüber der Gesellschaft, um die Pflege von Traditionen und um den Erhalt einer Kultur, die sich nicht dem Zeitgeist unterwirft.
Das Fehlen einer echten Elite
Der Demokratie scheint das Ausbleiben von Eliten inhärent. Etwa die Hälfte der „Politik-Elite“ stammen aus der breiten Bevölkerung. Sich an Politikern zu orientieren, würde in einer Demokratie bedeuten, sich an sich selbst zu orientieren.
Was die Wirtschaftselite in Deutschland betrifft, so bleiben Unternehmen meist in Hand einer Familie, welche sich öffentlich aus politischen Belangen raushält. Dass kaum Bilder von Dieter Schwarz (Lidl) oder Karl Albrecht (Aldi) veröffentlicht wurden, unterstützt diese These weiter. Nicht zuletzt deswegen wurde die Unterhaltung zwischen Alice Weidel und Theo Müller (Molkerei Müller) zu einem Medienspektakel aufgebauscht.
Auch global sind wenige Eliten offen zu erkennen. Die Liste der reichsten Menschen der Welt wird zu großen Teilen von Tech-Startup-Nerds angeführt, welche zu den meisten ihrer Presseauftritte in zu langer Jeanshose und Kapuzenpullover erscheinen. Allein aus diesem Grund scheint sich das Bedürfnis nach echten Eliten (und dem eigenen Elitendasein?) in diesem Trend bahn zu brechen. Es wird versucht, sich stilistisch an den angelsächsischen Eliten der 1920er bis 1950er zu orientieren.
Zu Beginn ging es ausschließlich um das modische Erscheinungsbild
Heute umfasst der Trend alle Lebensbereiche, bis hin zur Jobwahl.
Ein Aufruf zur Rückkehr zu Werten
Das Aufkommen des Trends könnte als Zeichen einer tiefgreifenden kulturellen Gegenbewegung verstanden werden. Inmitten einer zunehmend entgleisten Gesellschaft, die ihre Wurzeln und Werte zu verlieren droht, kann der Stil von unsereins zu einem Aufruf zur Rückkehr zu dem, was wirklich zählt, gewandelt werden: Zu Würde, Tradition und einer Kultur der Verantwortung.
Während die moderne und postmoderne Welt von einer ständigen Jagd nach dem Neuen und „Aufregenden“ beherrscht wird, erinnert der „Old Money“-Trend junge Millennials und Gen-Z daran, dass wahre Eleganz, vornehme Verhaltensweisen und echter Stil zeitlos sind. Sie sind nicht an flüchtige Moden gebunden, sondern an Prinzipien, die über Generationen hinweg Bestand haben.
In diesem Sinne sollten wir das Social-Media-Phänomen zu mehr als nur eine ästhetische Bewegung machen. Es steht für die Rückkehr zu einer Zeit, in der Werte wie Ehre, Integrität und Beständigkeit nicht nur Lippenbekenntnisse waren, sondern das Fundament der Gesellschaft bildeten. Es liegt an uns, diese Werte wieder zu entdecken und zu bewahren – nicht nur als billige Mode, sondern als Lebenshaltung.