Diese Anleitung war lange überfällig! Bei Thymos ermutigen wir junge Autoren, ihre ersten Schreiberfahrungen zu sammeln, aber wir haben nie erklärt, wie man Leser für seine Ideen begeistert und was einen guten Schreibstil ausmacht. Das holen wir jetzt nach.
Aller Anfang ist schwer
Auch für mich war das Schreiben ein Lernprozess. Bei meinen ersten Versuchen warf mir Thunderbernd immer wieder vor, einen „Wikipedia-Stil“ zu pflegen, was mich wahnsinnig getriggert hat und schließlich der Ansporn war, meine Texte mehrfach umzuformulieren. Aber genau das war der entscheidende Anstoß, die Komfortzone zu verlassen, an mir zu arbeiten und mich noch einmal intensiv mit dem Schreiben auseinanderzusetzen.
Zwar sehe ich mich immer noch nicht als einen großen Literaten, aber ich denke schon, dass ich zu einem kurzweiligen Stil gefunden habe, der für Artikel taugt. In zwei Jahren als Thymos-Redakteur habe ich nun etliche Einsendungen gesichtet, Feedback gegeben und nachgebessert. Jetzt also die Crème de la Crème meiner gesammelten Erfahrungen:
Klassische Fehler
Die Inhaltsangabe
Wenn du einen Artikel schreibst, brauchst du unbedingt eigene interessante und überraschende Beobachtungen oder Erfahrungen. Gerade uns Rechten fällt das zu, weil unsere Sichtweise sowieso nirgendwo Platz findet. Eine Inhaltsangabe oder das Allgemeinwissen zu einem Themenfeld gibt es auch auf Wikipedia oder kann von einer KI zusammengefasst werden. In Zeiten des Internets ist ein solcher Artikel überflüssig. Bei einer Rezension solltest du also nur so viel vom Inhalt wiedergeben, wie auch für deine Betrachtung notwendig ist.
Die Hausarbeit
Ein viel häufigerer Fehler ist die Hausarbeit. Im Studium wird uns beigebracht, langweilige Sachtexte zu schreiben, die bloß Informationen übertragen und Fakten vermitteln sollen. Ja, man verlernt dabei sogar das richtige Schreiben! Niemand liest sich so etwas freiwillig durch. Denn alles, was einen Artikel lebendig und zu einem Lesevergnügen macht, wird für eine abstrakte Objektivität rausgestrichen. Im Prinzip ist diese Objektivität dann auch nur eine Maske, mit der man der eigenen subjektiven Meinung einen professionellen Anstrich verpassen will.
Der Schnellroda-Stil
Ok, ich gebe es zu, dieser Absatz ist hauptsächlich dazu da, Kubitschek zu ärgern. Eine Referenz kann ein interessanter Verweis sein, aber in jedem zweiten Satz einen Bezug zu Carl Schmitt und Ernst Jünger zu ziehen, ist einfach unangenehm. Zu hochgestochen, zu sperrig und am schlimmsten: immer das Gleiche. (Ausnahme sind hier Kositzas Alltagsbetrachtungen: lockerer und unterhaltsamer Stil sind bei Thymos immer willkommen!)
Wie geht es besser?
Eine Geschichte erzählen
Wenn du am Schreibtisch sitzt und mit der Haltung ans Werk gehst, lediglich eine Analyse zu schreiben, dann wirst du keine Spannung aufbauen. Nein, die Auseinandersetzung mit dem Thema muss als eine Geschichte erzählt werden! Gerne kannst du dir zuerst Stichpunkte machen, was du inhaltlich vermitteln willst, aber in einem zweiten Schritt musst du dir überlegen, wie du deine Punkte verpackst.
Wir sagen es immer wieder: Deine persönliche Meinung und deine Erfahrungen interessieren uns! Du würdest ja gar keinen Artikel schreiben, wenn nicht tief in dir eine Leidenschaft brennen würde, die auf das Papier möchte. Wir wollen also, dass du uns deine Geschichte erzählst.
Lockerer Stil
Es gibt viele kleine und große Zutaten, die zu einem ansprechenden und unterhaltsamen Stil gehören:
- Kreative und treffende Beschreibungen (Keine generischen Floskeln)
- Eine angenehme Satzmelodie (keine umständlichen Sätze)
- Starke Adjektive („ungeheuerlich“ statt „ungewöhnlich“)
- Wenige Wortwiederholungen
- Die richtige Dosis Umgangssprache
- Emotionen und Humor
- Plastische Beispiele
- Eine Prise Polemik
- Unterhaltsame Anekdoten
- Den Leser direkt ansprechen
Ein Patentrezept haben wir nicht für euch. Hier ist jeder Autor selbst gefragt, sich die Zeit zu nehmen, seine Schreibversuche genauer unter die Lupe zu nehmen: Wirkt es elegant oder unbeholfen? Ist die Wortwahl präzise, oder sollte ich nochmal in den Thesaurus schauen? Drifte ich in allgemeine Phrasen ab oder übertreibe ich mit meinen blumigen Worten?
Um es anschaulicher zu machen, ein kleines Beispiel für eine unbeholfene und unsichere Formulierung:
„Viele Menschen finden es nicht gut, dass sie im Internet überwacht werden. Einen Post zu machen, kann auch passieren, wenn man zu viel Alkohol getrunken hat und dass das gleich die Polizei mitbekommt, eine Strafanzeige gestellt wird und der ganze Prozess anläuft, ist einfach übertrieben.“
Das Ganze kann auch so klingen:
„Die Internetüberwachung ist zu einem totalitären Albtraum geworden. Wer nach 2-3 Bier in der Kneipe noch einen Shitpost absetzt, erlebt sein blaues Wunder: Automatisierte Strafanzeige, Benachrichtigung der Polizei, Hausdurchsuchung. Gott sei Dank hat diese Schikane die Bürger endlich wachgerüttelt und sie gehen auf die Barrikaden!“
Das hat doch mehr Wumms! Habe die Geduld, mehrere Minuten über einem einzigen Satz zu grübeln und ihn wiederholt umzustellen, bis er sich endlich flüssig liest und den Nagel auf den Kopf trifft. Das sind die entscheidenden Lernmomente!
Das Erlebnis in den Mittelpunkt stellen
Oft konzentrieren sich Autoren auf das nüchterne und sachliche Beschreiben von Tatsachen. Das ist ein fatalter Fehler, denn uns Menschen interessiert das Erlebnis. Die Folge: Es ist unpersönlich und beim Leser werden keine Emotionen ausgelöst. Stell dir also die Frage: Wie fühlt es sich an? Auch hierzu ein kleines Beispiel:
„Die Szene am Fluss gilt als eine der besten. Hier stehen sich die Jungfrau und das Monster gegenüber. Es trifft also die Unschuld auf die Brutalität des Monsters, was sehr viel Spannung aufbaut.“
Schön, das hier etwas von Spannung steht, aber spüren tun wir sie nicht. Lassen wir den Autor einmal schildern, wie er die Szene persönlich erlebt hat:
„Als ich das erste Mal die berühmte Szene am Fluss sah, war ich überwältigt! Die schauerlichen, kahlen Bäume, der unheimliche Nebel und plötzlich taucht hinter der Jungfrau die Silhouette der Bestie auf. Das Ungeheuer, das wir bis jetzt nur beim Morden gesehen haben, trifft auf die Unschuld des jungen Mädchens. Gänsehaut!“
Das ist doch gleich viel mitreißender!
Der Anfang ist ausschlaggebend
In den ersten Absatz musst du besonders viel Hirnschmalz stecken: Wenn es dir hier nicht gelingt, den Leser abzuholen und mitzureißen, hast du verloren. Es sollte darum tunlichst vermieden werden, wie bei Wikipedia Fakten zusammen zu tragen:
„1995 erschien die Scifi-Komödie XYZ vom Regisseur Max Mustermann, welche die Besiedlung des Mars thematisiert. Mustermann ging es dabei darum, die Abhängigkeit von Technik und den Kapitalismus zu kritisieren.“
Gähn, ist das öde! Warum nicht etwas plastischer:
„Stellt euch vor: Elon Musk hat sein Ziel erreicht! Der Mars wurde kolonisiert und ist nun die Heimat von 300.000 Menschen, die unter der Glaskuppel von „New Eden“ ihr Dasein fristen. Dasein fristen? Ja, leben kann man es in dieser traurigen Welt nicht nennen, in der ein Liter Sauerstoff 1000$ kostet!“
Wähle also einen netten Aufhänger, eine Überraschung oder deinen persönlichen Zugang.
In der Kürze liegt die Würze
Jetzt, wo wir den Leser heiß gemacht haben, müssen wir ihn auch bei Laune halten! Manche Autoren haben den Hang dazu, sehr lange Texte zu verfassen. Aber wird der Inhalt zu sehr gestreckt, verliert der Leser die Lust und klickt weiter. Man muss nicht jedes Detail betrachten oder explizit schildern. Dinge, die der Leser sowieso schon kennt, kann man getrost streichen. Es geht darum, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Bei der Gelegenheit solltest du auch überflüssige Füllwörter streichen.
Niemand klickt auf den Link eines Online-Magazins, weil er gerade fünf Stunden Zeit hat und unbedingt einen Roman lesen möchte. Es gibt den bekannten Satz: „Ich schreibe dir einen langen Brief, weil ich für einen kurzen keine Zeit habe.“ Ob er nun von Goethe stammt oder nicht, in ihm liegt ein wahrer Kern: Sich kurz und bündig auszudrücken ist anstrengend und eine besondere Fähigkeit.
Artikel mehrfach überarbeiten
Gerade das Schreiben am Rechner legt eine iterative Arbeitsweise nahe. Schnell ist ein Absatz verschoben, ein Wort ersetzt oder der Satz umformuliert. Es ist also ganz natürlich, mehrfach über einen Text zu gehen und jedes Mal Verbesserungen vorzunehmen. So, wie es bei diesem Artikel hier geschehen ist!
An dieser Stelle ein Tipp: Wenn man zu lange am Stück an einem Artikel schreibt, wird man betriebsblind. Es ist daher sehr zu empfehlen, den Text für eine Woche in die Schublade zu legen, um sich dann mit einem frischen Blick erneut ans Werk zu setzen. Ich bin immer wieder überrascht, plötzlich viele Schnitzer in Artikeln zu finden, die ich für fertig hielt!
Künstliche Intelligenz
Bestimmt hält sich jemand für besonders clever und kommt auf die Idee, man könnte die Artikel gleich von einer KI schreiben lassen. Nun, es wäre sehr traurig, wenn der Mensch geistig verkümmert, weil er nichts mehr alleine kann und für das Denken auf die Stütze der KI angewiesen ist.
Artikel von KI generieren
Wenn du nichts zu einem Thema beizutragen hast, was die KI von sich aus in den Artikel schreibt, dann kannst du es gleich lassen. Gerade eine rechte Perspektive einzunehmen, fällt der KI schwer, weil sie mit vielen linkslastigen Texten und allgemeinen Phrasen trainiert worden ist.
Natürlich kann man der KI auch sehr genaue Anweisungen geben oder sie mit einer Liste von Stichpunkten füttern. Trotzdem setzt es voraus, dass du den Blick besitzt, das Ergebnis der KI beurteilen zu können.
Bei unseren Versuchen stellte es sich als schwierig heraus, der KI einen ordentlichen Stil abzuringen. Langweilige Sachtexte, Cool-Kids-Sprache, übertriebene Metaphern oder sonst wie geschwollene Formulierungen. KI-Slop, der höchstens auf den ersten Blick täuschen kann, einem gründlichen Lesen aber nicht standhält. Und wer das Schreiben nicht beherrscht und sich mit der KI durchmogeln möchte, der wird es auch niemals lernen.
KI zum Lektorieren
Zum Lektorieren ist die KI hingegen ein durchaus sinnvolles Hilfsmittel. Bei Rechtschreibung und Zeichensetzung kann man KI-Tools wie den Duden Mentor verwenden oder Texte in ChatGPT kopieren und korrigieren lassen. Das funktioniert gut.
Auch die KI einmal zu fragen, welche Sätze sich nicht flüssig lesen oder wo die Wortwahl zu generisch ist, kann als Anfänger helfen. Aber auch hier muss man der KI mitteilen, was stilistisch gewünscht ist und was nicht. Ein Prompt kann z.B. wie folgt aussehen:
„Welches sind die fünf schlechtesten Sätze im folgenden Text? Begründe jeweils warum und liefere ein Beispiel für eine bessere Formulierung.
Ein Satz ist schlecht, wenn er umständlich/langweilig zu lesen ist oder generisch/unbeholfen formuliert wurde. Auch übertriebener Jugend-Slang ist schlecht. Es sollte nicht zu gestelzt klingen, sondern unterhaltsam sein. Kreative umgangssprachliche Wörter oder altmodische Wörter/Formulierungen sind hingegen erwünscht. Subjektive Meinung ist erlaubt. Es darf reißerisch sein.“
Die Begründungen der KI sind meist gut. Die Alternativvorschläge zwar durchwachsen, aber immer noch eine Inspiration.
Schlusswort
Wenn mein Plan aufgegangen ist, bist du jetzt scharf geworden, einmal selbst in die Tasten zu hauen! Es gibt viele Themenfelder, die wir gerne ausbauen möchten und wo wir uns über deine Einsendungen freuen würden, z.B. Reisen, Ernährung, Sport, Mode und Musik. Aber auch ganz eigene kreative Ideen sind immer erwünscht! Bei Thymos nehmen wir uns die Zeit und geben euch bei Einsendungen eine Rückmeldung, was gelungen ist und wo noch Verbesserungspotential besteht.
Hinweis: Das hier ist eine Anleitung für Thymos! Andere Magazine pflegen einen anderen Schreibstil, für die solltest du ernst und langweilig schreiben.