Coolness ist extrem wichtig. Coolness macht attraktiv – sie ist eine Eigenschaft, die sogar einen durchschnittlich aussehenden Typen mit Halbglatze wie Adriano Celentano zu einem absoluten Frauenschwarm macht. Gleichzeitig ist sie leider etwas, das uns Deutschen ziemlich abgeht – und zwar nicht, weil wir es nicht könnten, sondern weil wir es in unserem Effizienzdenken schlicht nicht für nötig befinden, sie zu kultivieren! Eine katastrophale Fehleinschätzung.
In meinem Fachgebiet, der Flirterei, hat dies besonders fatale Folgen. Es geht soweit, dass unsere nationalen Flirtcoaches den Männern raten, sie müssten ihre Verstocktheit sogar noch erhöhen (Lukas Courtial), oder das lümmelhaft-aggressive Verhalten der Talahons kopieren (Maximilian Pütz). Auf die logischste und offensichtlichste Stellschraube, um besser bei Frauen anzukommen – nämlich cooler, witziger und somit sympathischer zu werden – kommen sie nicht. Das liegt außerhalb ihres Denkens.
Doch – eine von mir aufgestellte Regel besagt:
Wenn ein Volk eine extreme Tendenz ausbildet, so bildet es zuverlässigerweise auch die gegenteilige Tendenz aus, und sei es nur in Form weniger, schillernder Einzelpersonen.
Eine solch schillernde Einzelperson hätten wir in Rainer Brandt, dem legendären deutschen Synchronregisseur. Dieser Mann war so gut wie für alles Lustige und Coole verantwortlich, was in den 70er-, 80er- und 90er-Jahren über deutsche Mattscheiben und Kinoleinwände flimmerte – kein Zweiter hat sich um ein deutsches Verständnis von Coolness so sehr verdient gemacht wie er! Ja, mithilfe der deutschen Sprache gelang es ihm sogar oft, die Witzigkeit und Coolness ausländischer Filme um ein Vielfaches zu steigern! So sehr, dass die deutsche Fassung eines Films am Ende nicht selten die unterhaltsamste im internationalen Vergleich war – und oft auch die erfolgreichste. Wer hätte das ausgerechnet den Deutschen zugetraut?
Am 1. August 2024 ist Rainer Brandt verstorben – heute jährt sich sein Todestag zum ersten Mal. Ein würdiger Anlass, ihn zu ehren und etwas von ihm vorzustellen. Und zwar nicht einen seiner bekannten Klassiker wie die Serie Die Zwei oder die Filme mit Bud Spencer & Terence Hill – sondern die etwas unbekanntere italienische Liebeskomödie Der gezähmte Widerspenstige aus dem Jahr 1980.
Diesen Film habe ich ausgesucht, nicht nur weil er als Liebesfilm in mein Fachgebiet fällt, sondern weil er einfach ein ein verdammt gutes Lehrstück an Coolness ist! Neben Rainer Brandt waren nämlich noch zwei weitere Ikonen der Coolheit an diesem Film beteiligt: Adriano Celentano – der coole italienische Superstar der 80er – und Thomas Danneberg, der mit Abstand coolste deutsche Synchronsprecher (Stallone, Schwarzenegger, Terence Hill uvm.).
Kleiner Einschub: Falls dem Leser mittlerweile die Augen schmerzen von der ständigen Wiederholung des Wortes cool – tut mir Leid, aber es gibt leider keine deutsche Entsprechung dafür! Geschweige denn Synonyme! Was das über uns Deutsche aussagt, lasse ich mal dahingestellt. Ich werde es jedenfalls gnadenlos bis zum Ende des Artikels weiterverwenden. Da müsst Ihr durch – ich hoffe, Ihr seid cool damit.
Weiter geht’s. Das Grandiose an dem Film ist aber: Seine Coolness ist eine gute, europäische Coolness, welche mit rechten Werten absolut kompatibel ist! Eine Coolness, die nichts zu tun hat mit dem, was uns unsere degenerierte Unterhaltungsindustrie die letzten 30 Jahre als cool verkaufen wollte – Stichwort Gangsta-Rap –, nichts zu tun hat mit Gewalt und Kriminalität. Ja – der coole Protagonist Elia alias Adriano Celentano ist geradezu ein rechtes Idealbild! Ein sportlicher, wohlhabender, arbeitsamer, sozial eingestellter Gutsbesitzer, mit einem Herz für Tiere, einem Interesse für Astronomie, einer Abneigung gegenüber der Dekadenz der Großstadt und gegenüber neumodischem Schnickschnack.
Allerdings … ist Elia aber auch ein autistischer Eigenbrötler mit einem extremen Argwohn gegenüber Frauen – der Grund, weswegen er trotz seiner 40 Jahre noch immer Junggeselle ist. Aber alsbald lernt er Ornella Muti kennen, eine der führenden Schönheiten ihrer Zeit, die es natürlich schafft, den Widerspenstigen zu zähmen. Übrigens sind Titel und Plot eine Verdrehung von Shakespeares Der Widerspenstigen Zähmung (eine Komödie, in der es um eine heiratsunwillige Frau geht). Die Handlung besteht aus den klassischen vier Akten einer Liebesgeschichte (Kennenlernen, Verlieben, scheinbare tragische Wendung, Happy End).
Das Drehbuch ist exzellent – alle Szenen sind intelligent miteinander verquickt. Die transportierten moralischen Botschaften gehen allesamt in unsere Richtung: Der Film ist ein Plädoyer für Landleben statt Stadtleben, für Ehe statt Junggesellentum, für Leibesertüchtigung statt Simulantentum, für Arbeit statt Müßiggang. Am Ende sind Mann und Frau sich ergänzende Elemente und nicht, wie es zunächst erscheint, verfeindete. Und das Wichtigste: All diese Botschaften werden auf eine äußerst lockere, sympathische, komische und eben extrem coole Art vermittelt und nicht auf eine verkrampft-spießige, wie man es unserem Lager leider oft zu Recht vorwerfen kann.
Wettstreit Mensch gegen Maschine
Und da wir hier ja bei Thymos sind, darf selbstverständlich nicht unerwähnt bleiben, dass Der gezähmte Widerspenstige nicht nur rechts, sondern sogar heidegger-rechts ist! Als Elias Buchhalter ihn von der Anschaffung einer Weintrauben-Stampfmaschine überzeugen will, inszeniert Elia kurzerhand einen Wettkampf: Welche Methode zum Traubenstampfen ist überlegen – die maschinelle oder die traditionelle?
Dieser ikonische Contest Mensch vs. Maschine ist nicht nur die mit Abstand berühmteste Szene des Filmes, sondern auch das stärkste filmische Statement gegen das Technische Denken, das ich je auf Leinwand gebannt sah. Denn selbstverständlich gewinnt Elia dieses Rennen – neumodischer technischer Firlefanz ist bei der Weinherstellung absolut nicht erforderlich.
Wo bleibt sie, die teutonische Coolness?
Doch noch einmal zurück zu uns Deutschen. Wie kaum ein zweites Volk können wir auf eine Historie großartiger Persönlichkeiten zurückblicken, die Gewaltiges geleistet haben. Aber – waren diese Leute auch … cool? Eher nicht. Sie waren genial, strebsam und verbissen. Aber Übermenschliches zu leisten und „überlegen“ zu sein, ist nicht gleichbedeutend mit Coolness.
Coolness bedeutet, eine gewisse Ironie, Gelassenheit, Sicherheit, Souveränität und Männlichkeit auszustrahlen, die einen sofort sympathisch erscheinen lässt. Eine Ausstrahlung, die bewirkt, dass Leute einen auf Anhieb mögen und sich gerne mit einem identifizieren. Wir Deutsche haben aber leider eine Tradition zu glauben, Coolness sei nicht wichtig. Wir glauben, besser als andere, überlegen und Weltmarktführer zu sein – das sei wichtig, das mache einen beliebt. Nur leider stimmt das einfach nicht! Auf diese Weise erzeugt man vielleicht etwas Bewunderung, aber auch jede Menge Hass und Neid. Jeder bebrillte Klassenstreber weiß davon ein Lied zu singen. Auch der allseits gehegte Hass gegenüber dem FC Bayern München spricht beispielhaft darüber Bände.
Unser deutsches Coolness-Defizit ist höchst bedauerlich und ein gigantischer Fehler. Coolness ist das, wonach die Jugend Ausschau hält – und wenn wir jemals noch die deutsche Jugend fürs Deutschsein gewinnen wollen, dann müssen wir nicht besser sein als das, was sie bislang als cool erachtete, sondern, nun ja, einfach cooler.
Wie so eine rechte Coolness aussehen kann, zeigen Celentano, Brandt und Danneberg in Der gezähmte Widerspenstige.
P.S.: Noch ein kleines i-Tüpfelchen obendrauf: Das sich auf rechthaberische linke Art als „Lexikon“ bezeichnende „Lexikon des internationalen Films“ schreibt über den Gezähmten Widerspenstigen:
Lieblos inszeniertes Celentano-Lustspiel, das durch dümmliche Synchronsprüche und übertriebenen Chauvinismus verärgert.
Was nur beweist, dass a) das „Lexikon“ eben das ist: ein rechthaberisches linkes Machwerk, und b) Der gezähmte Widerspenstige einer der besten und lustigsten Filme überhaupt.
P.P.S.: Achtung, es gibt von dem Film auch eine DDR-Synchronisation (DEFA), die zwar dichter am Original ist, welche ich aber keinesfalls empfehle!
P.P.P.S.: Okay, ich habe jetzt 30 Mal das Wort cool verwendet. Ich bitte herzlich um Entschuldigung – aber musste sein.