Wer kennt es nicht. Kaum ist die Schule oder die Arbeit hinter sich gebracht, geht man nach Hause, flankt sich auf die Couch oder an den Rechner und versenkt die kostbare Freizeit ins Snacken, Daddeln und Glotzen, bis der Wecker wieder klingelt und man mit Mamas sprichwörtlichen viereckigen Auge und dem unangenehmen Gefühl aufwacht wieder nichts für den Körper getan zu haben.
Versteht mich nicht falsch, es spricht nichts dagegen, auch mal die Seele baumeln zu lassen und die Lieblingsserie mit Pringles im Anschlag zu bingen, solange man auch einen Gegenpol dazu hat, der einen dazu bringt, mehr aus sich zu machen. In meinem Fall war dies der Kraftsport. In diesem Artikel möchte ich euch erzählen, wie ich den Sport entdeckt habe und bis heute drangeblieben bin. Darüber hinaus werfen wir einen Blick in die Vergangenheit, auf welche Weise der Kraftsport die männliche Identität in Kriegszeiten geformt hat und welches weltanschauliche Potenzial heute mehr denn je in ihm steckt.
Wie ich als Couchpotato zur Fitness kam
Im Grunde hätte ich bestimmt noch Ewigkeiten meiner Lebenszeit auf der Couch verbracht mit der unterbewussten doch stetigen Gewissheit, wie es mein Selbstbewusstsein und mein Durchhaltevermögen in allen Lebensbereichen lähmt.
Der Anreiz, selbst die Dumbbells in die Hand zu nehmen, kam einerseits daher, dass meine Freundin mich regelmäßig allein die Stellung auf der Couch halten ließ und mit Fitness anfing. Andererseits kam ich auch in eine neue Freundesgruppe, in der es im progressiven Sprachgebrauch zu „toxisch maskulinem Kräftemessen” und „Alpha Männchen Gehabe“ kam. Nur, dass sich das gegenseitige Zeigen von Übungen, Gespräche über Ernährung und die Vorteile von Nofap, als das komplette Gegenteil von toxisch für mich erwiesen. Natürlich konnte ich mich am Anfang nicht eines Kicherns erwehren, wenn 10 Jungs ihre Auslegung eines perfekten Klimmzugs an der Stützkonstruktion des heimischen Partykellers fast schon akademisch analysieren, doch schon bald packte mich die Neugier. Außerdem hatten einige der Kollegen eine sehr ansehnliche Physis, was mir imponierte.
Alles begann mit weniger als 10 Liegestützen
So habe ich mich dann selbst herangetastet und eine Trainingsmatte besorgt, nur um festzustellen, dass ich nach nicht mal 10 Liegestützen japsend am Boden lag. In dieser Anfangszeit begann mein Körper mit mir zu kommunizieren oder besser gesagt, ich lernte, ihm zuzuhören. Ich konnte fühlen, wie das Dopamin während der Anstrengung durch meine Nervenbahnen rauschte und das Ermattet sein nach einem guten Workout war eine der befriedigendsten Erfahrungen, die ich je gemacht hatte. Es war, als käme mein Bewusstsein und Energiekreislauf ein deutliches Stück zu seinem natürlich intendierten Gleichgewicht zurück. Ihr kennt bestimmt das Gefühl am Abend, wenn ihr bereit fürs Bett seid, doch einfach keine Müdigkeit aufkommt, sodass ihr Ewigkeiten am Handy hängt oder bis in die Nacht zockt mit der Hoffnung, irgendwie noch müde zu werden.
Bei einem ausgiebigen Workout an diesem Tag freute ich mich wieder richtig auf die Ruhephase und lernte das allgemeine Geplättetsein zu genießen. Der Mensch ist geschaffen für die Jagd, zu bauen und zu erschaffen, kurzum unter körperlicher Anstrengung mit seiner Umwelt zu interagieren. Logische Schlüsse, die jeder Mensch ziehen kann, doch wie gut und motivierend sich die evolutionäre Streicheleinheit für das Belohnungssystem anfühlt, merkt man erst, wenn man es selbst erfährt. Und besser noch, ist es die sauberste Form die Ressource Dopamin und Serotonin zu fördern. Mit den Worten eines weisen Mannes „Sport ist die einzige Droge, bei der man am nächsten Tag rückfällig wird und stärker ist als zuvor“.
Von der Überwindung als Anfänger ins Gym zu gehen
Nachdem ich nun ungefähr ein Jahr zuhause mein Liegestütz- und Klimmzuggame auf ein neues Level gebracht, plus ein gutes Stück des Wohlstandsspecks weggeschmolzen habe, stellte sich ein Trainingsplateau ein und mit gemischten Gefühlen befolgte ich den Rat eines Kollegen und meldete mich im Fitnessstudio an, um mein Training auf das nächste Level zu bringen. Und was soll ich sagen .. war ich davor mit mulmiger Vorahnung beschäftigt, wurde mein Selbstbewusstsein über die Newbie-Gains, die ich in meinem asketischen Fitness-Selbststudium aus mir herausholen konnte, auf ein kleines Häufchen zusammengedünstet.
Es mag Leute geben, die das erste Mal ins Gym gehen und direkt denken: „YUP, hier werd ich 4 Nachmittage die Woche komplett abreißen!“. Doch für mich kosteten die ersten Monate meines Trainings eine enorme Überwindung, die immer noch von Zeit zu Zeit Besitz von mir ergreift. Diese Empfindung hat verschiedene Gründe.
- Mangelndes Fachwissen über die Maschinen. Klar hatte ich durch Internetrecherche oder das Beobachten anderer Gymbesucher eine gewisse Ahnung, wie man sich auf das Gerät setzt. Doch wenn die Maschine nicht richtig eingestellt ist und kein einziger Handgriff sich richtig anfühlt, sorgte es oft dafür, dass ich mich wie Harry Potter fühlte, der zum ersten Mal den Nimbus 2000 besteigt.
- Schüchternheit. Stellt euch vor, ihr seid im Freihantelbereich, um euch herum 1,90 große, schwer stöhnende Gymbros, die nicht nur einen Körperbau haben, der Thor ähnelt, sondern die Gewichte auch ebenso donnernd wie dieser seinen Hammer auf den Boden knallen lassen. Das Testosteron in der Luft ist fast schmeckbar. Zumindest für mich selbst kannte ich das Gefühl von kritischen Blicken, ob meiner unterlegenen Physis oder einer lachhaft falschen Ausführung, durchbohrt zu werden.
Aller Anfang ist (kilo-)schwer
Diese zwei Faktoren haben mich schon eine ganze Weile vor dem Training schwitzen lassen. Doch mit der Zeit härtet man sich ab. Im wahrsten Sinne des Ausdrucks. Mit der Zeit merkt man am eigenen Gefühl, welche Muskeln bei der Übung aktiviert werden und damit auch die korrekte Ausführung.
Ich probierte neue Übungen, die weit über meinem damaligen Horizont lagen, einfach aus dem inneren Antrieb, mich weiterzubilden und mehr aus meinem Training herauszuholen. Manchmal muss ich dabei ziemlich lustig ausgesehen haben. Woher ich das weiß? Nun gut, ab und zu kam einer der wirklich stabilen Jungs auf mich zu und gab mir spontane Nachhilfe.
Beim ersten Mal durchzog mich noch ein peinliches Gefühl, gefolgt von einem kurzen Schweißausbruch vor Aufregung, doch anders als ich erwartet habe, kamen die Ratschläge nie aus einer überlegenen Position oder Belustigung, sondern waren immer aufrichtig und nett. Ich will nicht so weit gehen, von einer Fitnessbruderschaft ähnlich einem antiken Männerbund zu sprechen, dennoch gibt es meiner Meinung nach ein gewisses unterschwelliges Verbundenheitsgefühl unter den Gymbros. Es geht nicht um Respekt, den man sich durch einen athletischen Körper verdienen muss. Der Wille an sich zu arbeiten, den Anfang gemacht zu haben, sich an dem Sport zu versuchen, mehr braucht es nicht, um in der Subkultur akzeptiert und geschätzt zu werden.
Kraftsport in der Antike …
Um diesem Massenphänomen auf die Spur zu kommen, lohnt es sich, einen Blick auf die Geschichte der körperlichen Ertüchtigung zu werfen. Das Prinzip der Kraftsteigerung durch gezielte Anstrengungen lässt auf einen Zeitraum von bis zu 2000 v.Chr. zurückdatieren. Aus Überlieferungen erfahren wir, dass das Heben von schweren Steinen und der Kampf gegen große Tiere in der griechischen Antike als Mittel der Kraftsteigerung eingesetzt wurde. Evident wird dies in der Sage von Milon von Kroton, welcher – so steht es geschrieben- schon als kleiner Junge ein junges Kalb über dem Kopf erhob. Mit der Zeit wuchs das Kalb gleichsam mit seiner Kraft und so konnte er als Erwachsener ein fast ausgewachsenes Kalb heben.
Die Sage hat damals mit Sicherheit vielen Männern im wehrfähigen Alter den Ansporn gegeben ihre Fitness zu steigern, denn, das ist auch überliefert, war es das Ziel durch körperliche Ertüchtigung die jungen Männer wehrtüchtig zu machen, um auf feindliche Übernahmen gefasst zu sein.
…bis zur Wehrertüchtigung des 20. Jahrhunderts
Auch im Mittelalter wurde der kräftigende Effekt von schwerem Heben zur Turniervorbereitung in den Kreisen des Adels genutzt. Der Fokus auf die Kampfkraft lässt sich also wieder erkennen. Das Muster bleibt auch bei einem weiteren Zeitsprung ins 18. Jahrhundert bestehen. Der vielgerühmte Reformer Friedrich Ludwig Jahn, auch Turnvater Jahn genannt, machte das Krafttraining in Form von Gewichtheben und Ringen schließlich zur Verpflichtung um die deutschen Soldaten auf den deutsch-französischen Krieg vorzubereiten. Der militärische Erfolg gab ihm recht und so wurde der Kraftsport zum dritten Element, neben Feldmanövern und Schießtraining, von der Blütezeit des Deutschen Reiches bis zum „dunkelsten Kapitel“ der deutschen Geschichte.
Der Zusammenhang zwischen Kraftsport und (in der Regel) Gruppen von Männern, die als Einheit fungieren, ist also evident. Wenn man sich einmal in die Lage der Soldaten versetzt, macht das Ganze auch subjektiv Sinn. Zu sehen, wie die anderen Mitglieder der eigenen Einheit stärker werden, rückt den Sieg auf dem Schlachtfeld in greifbare Nähe und stärkt den Kampfgeist des Regiments.
Studien belegen: Kraftsport macht basiert!
Nun herrscht zwischen der überwiegenden Mehrheit der Jungs, die im Fitti trainieren, keine Männerfreundschaft, wie sie nur im Schützengraben geformt werden kann, doch im Prinzip führt man auch hier einen Kampf. Der Feind ist in diesem Fall der innere Schweinehund und eine Gesellschaft, die Männlichkeit, Stärke und Disziplin immer mehr aus dem Archetypus des Maskulinen herauscanceln möchte. In der Konsequenz trifft man in der Szene überproportional Leute, die konservative Ansichten zu Themen wie Maskulinität, Ungleichheit in der Gesellschaft und ähnlichen Trigger-Themen unserer Zeit haben.
Dieser Umstand wurde zwischen 2012 und 2017 in 12 Studien untersucht. Die amerikanische Zeitschrift Political Psychology fasst die Ergebnisse schließlich im Jahr 2018 zusammen. Forschungsgegenstand war die Frage, wie physische Körperkraft mit der Meinung zur Ungleichheit, zum Beispiel dem Gender Pay Gap, korreliert. Die Ergebnisse waren eindeutig, lassen sich jedoch auf verschiedene Weisen interpretieren. Laut den Forschern sind Männer mit rechtsgerichteten Ansichten nicht überproportional dazu angehalten, ins Gym zu gehen, allerdings ist es so, dass sich bei steigender Körperkraft die Ansichten der Probanden ein gutes Stück hin zu rechten Takes bewegen.
Die letzte Studie bestand aus ca. 6000 Teilnehmern, die zu einem Stärke förderndem Oberkörpertraining verpflichtet wurden. Nach 2 Monaten wurden sie schließlich dem gleichen politischen Wesenstest unterzogen. Die Ergebnisse zeigten, dass nun signifikant öfter die rechte Antwortmöglichkeit gewählt wurde. Leiter der Studien war Michael Peterson. Seine Hypothese ist, dass Männer sich durch den Anstieg der physischen Kraft eher einem archaischem Hierarchieverständnis anschließen. In einfachen Worten: In der Stammeszeit des Menschen war ein Mann mit großer Körperkraft in der Rangfolge bevorzugt. Der Kraftsport scheint dieses Mindset in Männern wieder zu erwecken und dadurch den Respekt vor Stärke als auch das Bewusstsein für die Notwendigkeit von Hierarchien neu zu beleben.
Wiederentdeckung der Männlichkeit
Meiner Meinung nach ist dies auch der bezeichnende Aspekt, in welchem Kraftsport oder Bodybuilding das männliche Selbstbewusstsein heben kann. Es geht nicht um den toxisch-männlichen Schwanzvergleich, wer die dicksten Muskeln hat oder Alpha-Gehabe. Seit prähistorischen Zeiten waren Wettbewerbs- und Widerstandsfähigkeit die Eigenschaften, die einen Mann ausgemacht und für sein Volk wertvoll gemacht haben. Dieses Werteverständnis ist im evolutionären wie kulturellen männlichen Selbstverständnis angelegt.
Nun befinden wir uns in der postmodernen Aufweichung dieses Rollenverständnis und diese Qualitäten werden negativ geframed. Das reißt ein großes Loch in die Selbstverwirklichung vieler junger Männer und sorgt für eine umfassende Ziellosigkeit. Ein Gefühl, was ich selbst zu hundert Prozent nachvollziehen kann. Der Kraftsport kann in diese Lücke treten und einem dabei helfen, nicht nur seine eigene Kraft, körperlich und mental, sondern auch das Gefühl, etwas als Mann in dieser Gesellschaft wert zu sein, fundamental zu steigern und sich mit Leuten zu vernetzen, die ebenfalls nach Höherem streben und dem Ideal der Stärke folgen.