Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hat man angefangen, den Kunstbegriff aufzuweichen, indem irgendwelche Stümper ihren peinlichen Schund als Werk außerordentlicher Schöpfungshöhe ausgaben. Das mag eine zielgerichtete Provokation gewesen sein, die den durchaus notwendigen Diskurs anregen sollte, wo denn Kunst aufhöre.
Jedoch sehr zu meiner Überraschung hat sich noch heute nicht die Antwort durchgesetzt, die offensichtlich ist: Kunst ist, was schön ist. Der Rest ist ein Laborunfall, von dem niemand die Dreistheit haben sollte, ihn als Kunst zu bezeichnen. Allein, daß man seine Brille im Museum verlieren kann, und das von den Besuchern für Kunst gehalten wird, gibt mir zu hundert Prozent recht.
Der Kunstbegriff wird erneut infrage gestellt
Doch noch heute, wo es längst nichts originelles oder provokantes mehr hat, geben linke Künstler ihre ungelenken künstlerischen Versuche, die auch von Grundschülern stammen könnten, als ernst gemeinte Projekte aus. Stets mit der Warnung, daß, wer die Größe des Werkes nicht erkenne, nicht kultiviert genug wäre, sie zu verstehen.
Der Kulturmensch quittiert so etwas mit Ver- statt Hochachtung; er applaudiert nicht, wenn „darstellende Künstler“ ihren entarteten Schund präsentieren und verirrt sich nicht in Galerien, in denen dieses akademische Kreiswichsen betrieben wird. Er weiß, was schön ist, und läßt sich nicht einreden, daß ein paar ungelenke Striche auf weißer Leinwand Ausdruck hoher Schaffenskraft wären. Er hat nicht das Bedürfnis, vor seinen Mitmenschen als kultiviert zu gelten – er ist kultiviert. Der Kaiser eines Kulturmenschen ist nicht nackt.
Doch mit der Erfindung von KI hat sich auch für diesen selbstbewußten Schlag Mensch ein neues Problem aufgetan: Sind denn die Bilder, die man vermöge KI generieren kann, noch echte Kunst? Schön sind sie oftmals durchaus, aber eines muß man wohl zugeben: Der Künstler könnte sie in den seltensten Fällen selbst herstellen. Sie machen das Malen nicht effizienter, sondern erzeugen Kunst auf eine neue, bisher völlig unbekannte Art.
Oder etwa doch nicht?
Selbst der Dümmste schafft es
Betrachten wir einmal die KI-Bildgeneratoren. Ich habe selbst einige getestet, und auch wenn es zugegebenermaßen schwer ist, Ergebnisse zu produzieren, wie man sie sich vorstellt, bekommt man fast immer schöne Bilderchen.
Anbei seien ein paar Beispiele aufgeführt, die ich mit minimalem Aufwand generiert habe:
Häßlich ist davon gar nichts, und alles sicher sehr viel besser als ich es jemals selbst zusammenbekommen hätte. Vom Fotorealismus mancher Bilder ganz zu schweigen. Bin ich jetzt ein großer Künstler? Habe ich das Recht, mich mit Leonardo da Vinci zu vergleichen?
Und sogar der Zufall malt nicht schlecht
Treiben wir den genuinen Wesenszug der KI-Kunst doch auf die Spitze: Nehmen wir uns ganz zurück; würfeln wir aus, was gemalt werden soll, und sehen, was passiert.
Das folgende Bild etwa wurde von mir komplett zufallsgeneriert, sowohl welche Worte eingegeben wurden, als auch deren Anzahl. Es waren: „argument British bias“ – eine wirklich sehr unglückliche Wahl, da Abstrakta. Was in diesem Fall aber sogar gut ist. Denn so ist klar, daß sich der Künstler selbst nicht recht vorstellen konnte, welches Bild generiert werden solle.
Wie Sie sehen, schafft die KI es aber mühelos, auch aus diesem Wortsalat ein gutes Bild zu generieren. Ja, es paßt sogar zu meiner Eingabe! Und es war das erste Ergebnis, das mir angezeigt wurde. Die folgenden waren auch nicht schlechter.
Nun fragen Sie sich ehrlich: Ist dieses Bild schlechter als das, was Sie in zeitgenössischen Galerien finden? Gibt es daran wirklich etwas zu kritisieren? Jenseits des persönlichen Geschmacks versteht sich. Ich würde sagen: Nein.
Mit KI-Kunst braucht man also rein gar nichts zu können, nichts zu lernen und kann als inkompetentester, einfallslosester Mensch der Erde dennoch Bilder erzeugen, die alte Meister übertreffen. Lustlos und ohne alle Mühe. Einfach ein paar Wörter in den Generator werfen, und der setzt die schon zu etwas schönem zusammen.
Wer sich anstrengt ist der Dumme
Man möchte verzweifelt aufschreien: Warum soll ich überhaupt noch versuchen, ein Bild selbst zu malen? Wenn selbst ein zufallsgeneriertes Bild noch unseren Ansprüchen an Schönheit genügt?
Und selbst wenn man eine bestimmte Idee hat, ein Motiv, das man abbilden möchte, kann auch einfach so lange mit der KI rumprobieren, bis ein Bild dabei ist, das halbwegs paßt. Natürlich wird es immer verwaschen sein; immer ein wenig von dem abweichen, was der Künstler haben wollte, und damit das Originalgenie unter dem Blumenkranz hohler Ästhetik verkümmern lassen. Und natürlich werden immer mehr Leute diesen Weg gehen, einfach weil er bequem ist.
Daß so die Handwerkskunst ausstirbt, ist augenfällig. Für ein Bild mit Ölfarben müßte ich zu allererst das Malen lernen. Ansonsten wird alle Kunst, egal wie originell und kreativ, mißgestalt sein. Und dann ist das Bild noch lange nicht fertig. Das ist eine Präzisionsarbeit, die außerordentliches Können, aber auch viel Geduld erfordert.
Niemand wird sich stundenlang abmühen, ein schönes Bild zu zeichnen, wenn ein Computerprogramm das auch in 5 Minuten hinbekommt. – Ein halbes Dutzend verschiedener Generationsversuche bereits einkalkuliert. Und damit kann ich mein Resümee festhalten: Versucht man sich in Zeiten der KI am ehrbaren Weg der konventionellen Malerei, ist man einfach nur der Dumme.
Ist KI-Kunst überhaupt Kunst?
Es fällt mir schwer, KI-Kunst als Kunst anzuerkennen, weil der Künstler selbst womöglich gar nicht die Fähigkeit zu solcher Schöpfungshöhe besitzt. Ohne die KI wäre er ein Dadaist, der sich etwas darauf einbildet, das Gemälde der Mona Lisa zu verunstalten. Er würde seine Unterschrift auf eine Kloschüssel schmieren und sich mords etwas darauf einbilden, daß das vor ihm noch niemandem eingefallen ist.
Doch ein origineller Gedanke reicht noch lange nicht zum Künstler. Kunst hat vor allem dem ästhetischen Empfinden des Betrachters zu genügen. Daher bestätigt moderne Kunst die Vermutung, daß es sich um unfähige Dilettanten handelt, die mangels Talent zu ihren obszönen Schmierereien gezwungen werden. Wer Talent hat, produziert nicht vorsätzlich Schund – das wäre nicht im Einklang mit dem Schöpfungsdrang eines wahren Künstlers.
Wer sich Künstler nennen will, muß seinen Gedanken mittels eigener Kraft Ausdruck verleihen können. Braucht er dazu eine KI, könnte er auch gleich einen Auftragsmaler engagieren. Doch nur weil Michelangelo durch ein Kaffeekränzchen mit mir zu seinem David inspiriert wurde, darf ich mich noch lange nicht rühmen, der größte Künstler der Renaissance zu sein. Ich habe zum Kunstwerk nichts beigetragen. Mir fehlte schlicht die bildhauerische Fähigkeit. Die Statue des David spiegelt Michelangelos Geisteswelt wieder, nicht meine. Meine Geisteswelt ist ungesehen in den Weiten meiner Phantasie verhallt, ohne je von jemandem bewundert werden zu können. Niemand außer mir weiß, wie ich mir David vorgestellt habe, weil ich unfähig war, ihn selbst aus dem Stein zu schlagen.
So verhält es sich auch mit KI: Da das exakte Bild, das der Künstler gern hätte, wohl kaum je getroffen wird, ist das, was am Ende herauskommt, nichts, was der Vorstellungskraft des Künstlers entsprungen ist. Es ist ein Zufallsbild, zu dem der Künstler allenfalls eine Anregung geliefert hat (seine Eingabe in den Bildgenerator), dessen Erzeugung jedoch auf einen Zufallsprozeß zurückzuführen ist. Es mag durchaus das Potential haben, schön zu sein. Wie auch der Anblick der schäumenden See schön sein kann, oder der Alpen, die in der Abendsonne rot erglühen. Doch Kunst ist das nicht.
Ein echtes Kunstwerk hat eine Geschichte
Was würde nun geschehen, wenn jemand seine KI-Bilder als Aquarelle ausdruckt und in einer Galerie als eigene Kreationen ausstellt? Vermutlich würde man dem Herrn die Bude einrennen und begeistert seine Bilder bestaunen. Denn wären sie selbst gemalt, wäre das eine herausragende Leistung. Und wie gesagt: Man kann nicht leugnen, daß sie von außerordentlicher Schönheit sind! Und wenn die Leute den Betrug herausfinden, werden sie ihm die Bude einrennen, um sie zu zerlegen.
Für mich stellt sich daher kein Problem für den Kunstbegriff, wiewohl es nun KI gibt. Es spielt keine Rolle für mich, daß ich bei zufälligen Bildern nicht länger feststellen kann, ob das eine menschliche Leistung ist. Bei Geldscheinen kann ich auch nicht feststellen, ob diese echt sind. Ich verwende sie schlicht gemäß ihres Zwecks: Ich kaufe damit ein, ich deponiere sie auf der Bank oder besser noch zu Hause.
Dasselbe gilt für schöne Dinge: Sie sollen etwas dekorieren. Wenn ich etwas Schönes sehe, spielt es zunächst keine Rolle, woher es kommt. Ich würde mir auch KI-Bilder in die Wohnung hängen – es geht immerhin nur darum, die Wohnung zu verschönern.
Wenn ich aber ein Bild im Zuge einer Analyse bewerten soll, wenn ich mir Gedanken um Qualität und Originalität machen will, so brauche ich auch heute schon Zusatzinformationen, die mindestens einmal Jahrhundert und Land beinhalten. Ohne diese kann keine vernünftige Analyse verfangen. Sprich: Wer seine Kunst von mir bewertet sehen will, muß die Hosen herunterlassen. Er kann mich natürlich auch gern belügen und behaupten, es wäre kein KI-Bild, aber dann ist er nicht mehr als ein Geldfälscher. Das Lob holt er sich unter Vortäuschung falscher Tatsachen ab.
Das Ende aller Kunst?
Vielleicht hat sich der Kunstbegriff auch einfach selbst überlebt. Kunst dient schon lange nicht mehr primär ihrem ursprünglichen Zweck: etwas zu verschönern.
Und wie die Kunst ihre Bestimmung zur Schönheit verloren hat, so verliert die Schönheit nun ihren menschlichen Schöpfer. Ob es, sobald KI-Kunst sich vollends etabliert hat, überhaupt noch Sinn ergibt, im öffentlichen Raum von Kunst im strengen Sinne zu reden, ist fraglich. Zu selten wird man wissen, ob das betrachtete Objekt Kunst, oder doch nur ein KI-Zufallsprodukt ist.
Ist der Mensch also wieder einmal gezwungen, das Feld zu räumen, und sich noch weiter zurückzuziehen? Sich noch nutzloser und unbrauchbarer zu fühlen, während ihm der technologische Fortschritt immer weiter aus den Händen gleitet? Ist der Mensch verdammt, in gnadenloser Ohnmacht zu versinken? Oder gibt es noch eine Möglichkeit, das Originalgenie zu retten, bevor es im Auswurf der Tausendmenschen erstickt?
Je höher die Technik, desto größer der Schöpfer
Wie wir Atomwaffen nicht jedermann überlassen, so sollten wir vielleicht auch weniger vernichtende Technik nicht in jedermanns Hände geben. Nur weil KI, Mobiltelefon und Ghettoblaster nicht hunderttausende Menschen auf einen Schlag auslöschen können, heißt das nicht, daß ein Umgang mit ihnen nicht auf einer niedrigeren Schwelle eben doch ein Mindestmaß an Verantwortung erfordert. Einen Führerschein kriegt auch nicht jeder bei der Geburt ausgestellt. Tatsächlich kann diese Berechtigung zum Führen eines Kraftfahrzeugs bei unverantwortlichem Verhalten gar wieder entzogen werden!
Warum sollte das mit anderer Technik anders sein? Manche können damit einfach nicht umgehen – sie würden auch den Atomsprengkopf zünden, weil ihnen die Phantasie fehlt, zu verstehen, was dann passiert. Ein Waffengesetz kam über die Bürger – warum also nicht auch ein Technikgesetz?
Ich sage: Je höher die Technik, desto größer soll auch die Seele desjenigen sein, der ihr gebieten will. Dann haben alle mehr davon. Besser ein Elbenfürst gestaltet die Welt, die ich bewohne, als eine Bruderschaft von Höhlentrollen.