Du glaubst, ein postapokalyptischer Science-Fiction-Film kann dich nicht mehr überraschen? Dann wird dich Sexmission eines Besseren belehren, denn in diesem Zukunftsszenario wurde nicht nur die Erdoberfläche unbewohnbar, der Abwurf der „M-Bombe“ löschte sämtliche Männer der Welt aus! Oder sagen wir: fast alle Männer.
Zwei Männer in einem totalitären Frauenstaat
Polen im Jahre 1991 Maximilian und Albert denken nur an den Ruhm und das Geld, das sie als zukünftige Superstars der Wissenschaft erwartet, als sie sich von dem verrückten Professor Kuppelweiser einfrieren lassen. Nach drei Jahren sollen sie aufgetaut werden, aber daraus wird nichts. Denn während sie ahnungslos im Kälteschlaf vor sich hin schlummern, bricht der dritte Weltkrieg aus und stürzt den Planeten ins Chaos. 50 Jahre später werden unsere zwei Dornröschen schließlich von den Forscherinnen eines bizarren, totalitären Frauenstaats aufgetaut.
Klingt nach typischer Science-Fiction. Doch wer bei dem Szenario ein amerikanisches 70er Jahre Femdom-Spektakel erwartet, der wird bereits seine erste Überraschung erleben. Denn bei der polnischen Komödie handelt es sich um eine skurrile, lustige und doch tiefgründige Gesellschaftskritik. Der original Titel ist bereits ein gelungenes Wortspiel aus der Ausweisung der Sexualität (die Kombination von „Seks“ und „eksmisja“) und der Mission, Sex in eine Welt zu tragen, in der er völlig unbekannt ist („Seks-Misja).
Dabei ist es erstaunlich, dass ein Film, der so offen den Totalitarismus kritisiert, die Zensur seines Entstehungslandes, der kommunistischen „Volksrepublik Polen“, passieren konnte. Vielleicht liegt es daran, dass er einfach clever und subtil ist. Durch die beiden Protagonisten wird der Totalitarismus letztendlich in seinem tiefsten Selbstverständnis erschüttert, ohne das eine gewaltsame Revolution nötig wäre. Aber eins nach dem anderen.
Der Mann – Relikt einer barbarischen Vergangenheit
Nach ihrem Winterschlaf muss das ungleiche Duo aus dem extrovertierten Max und dem zurückhaltenden Albert einige unerfreuliche Entdeckungen machen. In der neuen Welt gelten Männer als ein barbarischer Auswuchs der Vergangenheit, der zum Glück endlich überwunden wurde. Sie werden für alles Schlechte aus der Geschichte verantwortlich gemacht: Krieg, Sklaverei, Prostitution, Faulheit. Wie in einem Genderseminar werden die Mädchen indoktriniert, dass Männer Nichtsnutze seien, die gar nichts anderes könnten, als Frauen zu unterdrücken. Das kann Albert so nicht stehen lassen. Leidenschaftlich setzt er sich für uns Männer ein. Er führt die großen Leistungen der Wissenschaft an mit ihren Genies wie Einstein und Kopernikus. Prompt wird er unterbrochen: „Lügen! Kopernikus war eine Frau!“.
Mit dem Lob auf die Wissenschaft sollte Albert allerdings vorsichtig sein, denn sie hat die Welt ohne Männer erst möglich gemacht. Die Technik wird nicht nur verwendet, um synthetische Lebensmittel herzustellen. „Parthenogenese“, so heißt das Fachwort für die eingeschlechtliche, asexuelle Fortpflanzung. So werden die Babys im Labor gezeugt. Eine weitere wissenschaftliche Errungenschaft darf an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben: Es ist die Hormonpille, welche die Frauen zu sich nehmen, um ihre natürlichen sexuellen Triebe zu unterdrücken und in Karriereambitionen umzuwandeln.
Wir merken, dass in diesem Staat an alles gedacht wurde. Nur auf eine Frage gibt es keine Antwort: Was tun, wenn plötzlich wieder Männer da sind? Für Maximilian und Albert gibt es keinen Platz in dieser Welt. Um die undankbaren Fremdkörper doch noch in ihre Gesellschaft zu integrieren, kommen die Frauen schließlich auf eine furchtbare Idee: Die armen Teufel sollen wortwörtlich ihre Männlichkeit verlieren! Aber das will unser Duo nicht mit sich machen lassen. Sie planen die Flucht.
Der Fortschritt räumt die Natur ab
Die meisten dystopischen Filme zeigen plump einen bösen Kollektivismus, der die Menschen willkürlich unterwirft und dessen Grundsätze auf einen Bierdeckel passen. Der vielschichtige Totalitarismus in Sexmission stützt sich dagegen nicht bloß auf autoritäre Strukturen und Gewalt. Die Herrschaft wird von einer Staatsideologie legitimiert, die sich selbst als eine neue evolutionäre Stufe der Menschheit begreift. Dabei bedient sie sich progressiver Denkmuster, wie sie heute von Linken und Transhumanisten vertreten werden.
Denn warum sollte der Fortschritt nicht genutzt werden, das Problem „Mann“ ein für alle Mal zu lösen? Auf einer abstrakten Ebene haben die Frauen aus Sexmission nämlich durchaus recht: Männer sind krimineller als Frauen. Sollte man nicht allein aus Gründen der Sicherheit dieses problematische Geschlecht aus der Gesellschaft entfernen? Oder sie zumindest kastrieren, wie es bei den Haustieren bereits Normalität ist?
Zum Glück springt nun dieser visionäre Film für uns Männer in die Bresche: So sind wir Menschen nun mal und das ist gut so! Damit steht er in einem Kontrast zu unserem Zeitgeist, für den alles Natürliche keinen Wert mehr besitzt und der den Menschen in seinem Innersten infrage stellt und dekonstruiert. Wenn wir beginnen, uns selbst zu verfälschen, gewinnen wir nicht Macht über die Natur, sondern verlieren uns selbst.
Sexmission zeigt dies in einer wunderschönen Szene, in der Maximilian und Albert auf eine Gruppe Kinder treffen. Es sind kleine Mädchen, die zum ersten Mal in ihrem Leben Männer sehen. Als Max sie anspricht, erkennen sie in ihm eine Vaterfigur und fallen ihm in die Arme. In einem rührenden Moment wird spürbar, was der hochtechnisierten und künstlichen Gesellschaft verloren gegangen ist.
Fazit
Um den Film wirklich genießen zu können, muss man sich auf seine Machart einlassen. Es ist ein B-Movie mit einfacher Ausstattung, Slapstick-Humoreinlagen und einem Cheesy-Charm. Die Handlung enthält viele lustige Momente und überraschenden Wendungen. Die ausgefallenen Sci-Fi-Kulissen und albernen Kostüme der frühen 80er-Jahre eignen sich hervorragend für eine skurrile Komödie. Dazu kommen jede Menge hübsche, junge polnische Mädchen mit langen Beinen.
Leider nimmt die deutsche Synchronisation humoristische Spitzen und der Film ist nicht vollständig synchronisiert worden, weshalb es immer wieder kurze Abschnitte im O-Ton gibt. Deshalb die Empfehlung, ihn wirklich auf Polnisch mit Untertiteln zu schauen.
Wer also bereit ist, hinter die Oberfläche zu blicken, wird einen der rechtesten Filme überhaupt erleben. Es geht um Mann und Frau als das von der Natur gegebene Idealbild des Menschen, das von Technik und Sozialtechnik bedroht ist. Es zeichnet aber auch das Bild eines in sich geschlossenen Totalitarismus, der sich als die Spitze des menschlichen Fortschritts sieht.
Und im Gegensatz zu den schrecklich deprimierenden Dystopien wie 1984 macht es einfach Spaß, ihn sich anzuschauen!