Im ersten Teil unseres Essays haben wir festgestellt, dass der Kulturkampf etwas ist, das die Linken der Gesellschaft aufzwingen. Sich darauf einzulassen, bedeutet für den Rechten, sich in einen Abnutzungskrieg zu verstricken, den er nicht nur nicht gewinnen kann, sondern der ihn geistig immer mehr auslaugt und letztlich in den gleichen Abgrund hinab zieht. Sich dies bewusst zu machen ist ein erster wichtiger Schritt, um aus dieser Logik herauszutreten.
Der lange Schatten des Kulturkampfes
Wir leben gemeinsam mit Linken in einer Gesellschaft und kaum ein Lebensbereich kann dem Zugriff ihrer ständigen Revolution einfach so entzogen werden, weshalb der Kulturkampf immer wieder sein schmutziges Haupt erheben wird, ob wir das wollen oder nicht. Ein rein passiver Rückzug in einen unpolitischen Biedermeier wäre deshalb nicht nur der falsche Ansatz, er ist heutzutage sogar ganz unmöglich geworden, weil die ständige progressive Transformation eben keinen privaten Bereich akzeptieren kann, der nicht ihrem Zugriff und der daraus folgenden Politisierung unterliegt. Der Biedermeier wäre also immer nur ein konstanter Rückzug auf Zeit, dem Einbrüche in immer weitere unpolitische Kultur- und Lebensbereiche nachfolgen, bis letztlich alle Rückzugsorte geschleift wurden. Bis dann der Progressivismus das Ende seines historischen Laufes erreicht und eine Wende erfolgt, kann dann bereits Vieles unwiederbringlich zerstört worden sein.
Man kann also den Krieg nicht ad hoc einseitig beenden. Das ist richtig, aber den Kulturkampf aufzugeben bedeutet zunächst, sich der Logik des Grabenkampfes zu entziehen. Nicht alle Kämpfe müssen geführt und nicht jede Auseinandersetzung zu einem Kampf ausgeweitet werden. Sie müssen als ein notwendiges Übel begriffen werden, die Mittel zum Zweck sind. Wir dürfen nicht in einer spiegelbildlichen Logik den Kampf gegen die Linken zum Zweck zu machen. Beginnen wir also, die Kämpfe auf ein wesentliches Minimum zu reduzieren.
Die Agora verlassen
Doch was sind die wesentlichen Kämpfe? Schon die antike griechische Philosophie kennt eine Trennung zwischen privatem Raum (Oikos) und Öffentlichkeit (Polis). Während die öffentlichen Angelegenheiten einem ständigen politischen Streit auf der Agora unterlagen, stand außer Frage, dass der Oikos ein geschützter Raum war, in dem sich Individuen und Familie selbst organisierten und auf den der politische Betrieb keinen Zugriff haben sollte. Der Kulturkampf ist der Versuch der Linken, die von ihnen beherrschte Polis auf den Oikos auszudehnen und ihn zu okkupieren. Es ist fruchtlos sich überhaupt auf die Diskussion darüber einzulassen, ob die eigenen Rückzugsräume Gegenstand der öffentlichen Debatte sein sollten oder nicht.
Der Rechte muss die Agora verlassen. Eine Sezession kann nur da erfolgreich sein, wo sie in der Lage ist, diese Grenzüberschreitungen ganz grundlegend zurückzuweisen. Nur eine Grundwehrhaftigkeit entlang dieser Grenze ermöglicht den Aufbau von Rückzugsorten und Gemeinschaften, in denen Kulturgüter bewahrt werden und sich eine neue Alternativkultur entwickeln kann, weil sie sie vor dem Zugriff der Linken abschirmt. Der Kampf ist dann auch nicht mehr darauf ausgerichtet die Linken zu schlagen sondern stattdessen die konstruktive Entstehung von etwas Neuem zu begleiten.
Die falschen Konflikte
Zeit und Energie sollen in den Aufbau einer neuen Kultur fließen, aus der wir tatsächlich Sinn und Kraft schöpfen können und dürfen nicht in sinnfreien Konflikten erschöpft werden. Man muss sie deshalb für Dinge einsetzen, die der Verteidigung wert sind und für uns einen Mehrwert bieten. Es ist nicht sinnvoll über jeden Stock zu springen, den der linke Kulturbetrieb uns hinhält und immer wieder von Neuem in den Kreislauf der Empörung und Abwehrgefechten um Dinge einzusteigen, die es am Ende nicht lohnen.
Ein gutes Beispiel ist die jetzt schon eine Weile andauernde Kontroverse um J.K. Rowling, der Autorin der Harry Potter-Romane und Schöpferin der sogenannten Wizarding World. Diese legt sich aus ihrer freilich feministischen Perspektive nun schon eine geraume Weile mit dem Transgender-Phänomen an. Ihr passt nicht in den Kram, dass nun biologische Männer auf diese Art in die Schutzräume von Frauen eindringen und von den gleichen Privilegien profitieren können, was sie wohl objektiv zu einer sogenannten TERF macht. Nun kann man ebenso objektiv festhalten, dass der Vorwurf der zeitgenössischen Linken, es handele sich bei ihr und ihren Aussagen um Ausdrücke von Transphobie und Transfeindlichkeit, falsch ist, weil sie sich eben nie abwertend gegen Transmenschen geäußert hatte. Aber das ist alles irrelevant. Einerseits geht es Linken eben nie um objektive Tatsachen – im Zweifel existieren diese in ihrem Blick auf die Welt ohnehin nicht – sondern um den eigenen Machtanspruch.
Der viel gewichtigere Grund aber ist, dass J.K. Rowling bis zu diesem Zeitpunkt nicht nur passiv sondern expressiv die linke Gesellschaftstransformation mit vorangetrieben hat. Viele scheinen inzwischen schon ihre berüchtigten Tweets vergessen zu haben, in denen Storyelemente ihrer Romanwelt nachträglich politisiert wurden oder die Debatte um die schwarze Hermine als Darstellerin in „Das verwunschene Kind“. Die Autorin und ihre verbliebenen Fans werden jetzt schlicht Opfer des von uns beschriebenen Phänomens. Die ständige gesellschaftliche Revolution ist vorangeschritten, ohne dass sie Schritt halten konnten und jetzt sind sie plötzlich selbst Teil der Verworfenen und werden niedergetrampelt. An deren Distanzierung hat sich jedoch nichts geändert, weil sie im Kern immer noch progressive Linke sind, die jetzt bloß die Welt nicht mehr verstehen.
Was muss verteidigt werden?
Rowling für eine Verbündete zu halten oder gar Zeit und Kraft zu verschwenden, sie in irgendeiner Weise vor dem Mob zu schützen, nur weil sie jetzt auch eine Zielscheibe auf der Brust hat, ist deshalb für Rechte nicht zielführend. Ihre Bücher oder das kürzlich erschienene Hogwarts Legacy sollte man auch nicht kaufen, weil man glaubt, damit einen Stich gegen die Linken setzen zu können, sondern nur deshalb, weil narrative oder handwerkliche Qualitäten dafür sprechen. Auf Thymos haben wir Hogwarts Legacy bereits in einer Review darauf abgeklopft. Allgemein lohnt sich in Zukunft noch eine Betrachtung von Harry Potter von rechts, die sie nicht den Linken überlässt. Rowling jedoch verdient die Geister, die sie selbst gerufen hat.
Ein Konflikt hingegen, der sich gelohnt hat und notwendig war, war der Deutungskampf um Tolkiens Werk im Rahmen der Rings of Power-Serie. Dabei ging es gar nicht so sehr um die Serie selbst, die von Besetzung und Umsetzung her nur ein weiteres (wenn auch idealtypisches Beispiel) für die woke Zersetzung des amerikanischen Kulturbetriebes ist, sondern um das darum aufgezogene gaslichternde Marketing. Um nämlich die schon früh einsetzende Kritik sowohl an den unpassend eingesetzten farbigen Schauspielern als auch dem Entgleisen kompletter Charaktere (allen voran Morfydd Clarks unerträglich präpotenter Galadriel) zu kontern, setzte man seitens Amazon darauf, sich in Tolkien-Fan-Kanäle einzukaufen oder eigene künstliche Fan-Kanäle zu kreieren und auf Kulturzersetzer unter Journalisten zurückzugreifen, um diese im Fachjargon als ‚Shills‘ (wortwörtlich Lockvögel/ Anpreiser) zu benutzen.
Nichts Unerhörtes an sich. Da aber Tolkiens Werk und dessen Bedeutung und Amazons ‚Vision‘ derart weit auseinander klafften, sollten diese vermeintlichen Autoritäten, dem nicht ganz so beleckten Zuschauer dann einreden, dass Galadriel auch schon bei Tolkien eine starke unabhängige “Karen” gewesen sei und sich sein Werk immer schon um Diversität, Völkerfreundschaft und Multikulturalismus gedreht habe und man es anders als bei Peter Jacksons Herr der Ringe-Epos für eine moderne Welt aktualisieren müsse. Etwas wirklich Gutes, Wahres und Schönes sollte hier beschmutzt und dekonstruiert werden. Es war richtig sich dem zu widersetzen.
Thymos – Was steckt hinter der Lebenskraft der Griechen?
Doch lassen wir nun den Kampf hinter uns und kommen zum Eigentlichen, nämlich dem, was uns antreibt. Wir sprechen viel über Kraft und meinen damit Thymos. Aus dem Altgriechischen übersetzt bedeutet es wortwörtlich Lebenskraft. Der Begriff hat einige Bedeutungen, wenn wir uns Platon, Hegel, Fukuyama oder in jüngster Zeit auch Marc Jongen anschauen. Während Thymos für Hegel noch die vorantreibende Kraft der Geschichte ist, scheint sie bei Fukuyama als Wurzel des nationalen Übels auf, während Jongen und mit ihm auch die Neue Rechte den Mangel an Thymosspannung als Teil unserer gesellschaftlich-psychologischen Probleme ausgemacht hat.
Bei unseren jüngeren politische Denkern ist Thymos vor allem der Selbstbehauptungs- und Profilierungswille von Individuen als auch von Gesellschaften, der Wille sich nicht in vorgegebene Schemata, in Sklaverei oder Gleichmacherei zu fügen. Ein Volk ohne Thymos-Spannung hat den Willen und damit Motivation und Kraft verloren, für sich selbst einzustehen und ein aktives Subjekt der Geschichte zu sein. Wir teilen diese Diagnose, doch sie verweist bereits stark auf einen politischen Kontext. Aus unserer Sicht muss man bereits fundamentaler eben bei der ursprünglichen Bedeutung ansetzen.
Wenn wir von einem Defizit an Thymos in der Gesellschaft reden, meinen wir wortwörtlich einen fundamentalen Mangel an Lebenskraft und -willen. Unsere Gesellschaft bietet einen bis dato in der Geschichte kaum gekannten Zugang zu materieller Sicherheit, technischem Fortschritt, Wohlstand und Konsum, und doch fühlt sich gerade diese Existenz äußerst leer an. Paradoxerweise vermag die Gegenwart mehr oder weniger viele unserer unmittelbaren materiellen Bedürfnisse zu stillen, doch scheitert sie immer mehr daran, einen Lebenssinn zu stiften und uns Gelegenheiten zu bieten, unserer Existenz Bedeutung zu verleihen. Vielmehr ist es gerade die Kommodifizierung und Rationalisierung, die das Spirituelle (im weitesten Sinne) zunehmend aus der Welt austreibt und sie zu einer schlichten Anhäufung von Atomen degradiert. Und dies, während uns gleichzeitig versichert wird, dass das Stillen unserer Konsumbedürfnisse das Höchste ist, wonach wir streben können.
Der Dekonstruktivismus und Zynismus der Linken sind zugleich Symptome als auch Herold dieser Entwicklung. In einer solchen sinnlos werdenden Welt und Existenz spüren wir instinktiv die klammen Finger des Nihilismus nach unserer Seele greifen und den Lebensfunken aus uns herauspressen. Es ist etwas, was die Linken mit rationalisierender Verdrängung, Exzess oder schlichter Betäubung von sich fernzuhalten suchen, womit sie sich nur noch schneller dem Abgrund ausliefern, auf den sie unweigerlich zusteuern. Depressionen und andere grassierende psychische Gebrechen sind das düstere Menetekel an der Wand.
Den Nihilismus verwinden
Doch auch wir Rechten bleiben davon nicht verschont. Es wird viel über Schwarze und Weiße Pillen gesprochen, also Ereignisse des politischen Kampfes, die pessimistisch stimmen oder aber Hoffnung geben. Politischer Burnout ist gerade unter jungen Aktivisten zu beobachten, die ihren Idealismus in jenem politischen Grabenkampf aufzehren, der eben primär harte (wenn auch häufig notwendige) Arbeit ist und selten Momente des Erfolgs bereithält. Und das ist kein Wunder, wenn man den politischen Kampf gegen die Linken als Zweck in sich begreift, statt als Mittel. Die Politik ist kaum geeignet um jüngeresk den Lebenssinn im Kampf zu finden. Hier offenbart sich die bestehende Schwäche des Rechten Lagers.
Während wir gut darin sind die Gegenwart politisch zu analysieren, Strategien und Taktiken zu entwickeln – und keiner will bestreiten, dass dies gegenüber dem intellektuellen Brachland neofaschistischer Tag-X-Altrechter ein enormer Fortschritt ist – so kommt die Sinnstiftung allzu kurz. Wofür kämpfen wir? Was treibt uns an im Leben? Was beklemmt uns und wie verwinden wir es? Was ist das Gute, Wahre und Schöne, das wir bewahren wollen? Was ist das Eigene? Wo finden wir oder wie schaffen wir eine neue Kultur? Was setzen wir der kalten Schwärze des Nichts entgegen? Kurz um: Wie finden wir zum Rechten in uns und der Welt?
Thymos bedeutet Sinn zu suchen, Kraftquellen zu erschließen, Gemeinschaften zu bilden und Strukturen zu erschaffen, die es uns ermöglichen einen gesunden, besseren Zugang zur Welt zu und unserem eigenen Dasein zu finden. Dem Nihilismus und seinen linken Herolden mit ihrer sterilen, depressiven und zersetzenden Unkultur wollen wir ein lebens-, sinn- und weltbejahendes Leuchtfeuer entgegensetzen. Dafür wollen wir auf eine Reise gehen, um zu erforschen wer wir sind und wie es sich in der Kultur reflektiert.
Welche Leitsätze wir auf unserer Queste, das Rechte in der Kultur und Quellen des Thymos zu finden, befolgen wollen, erfahrt ihr im dritten Teil unseres Essays.