Es gibt drei Arten von Filmen über die Deutschen im Zweiten Weltkrieg:
- Jene, welche Deutsche als Monster zeigen und damit das Niederschmettern Deutschlands rechtfertigen.
- Jene, welche Deutsche als Opfer ihrer eigenen Führung zeigen und damit ebenfalls das Niederschmettern Deutschlands rechtfertigen.
- Jene, welche Deutsche als Opfer ihrer Feinde zeigen und die tragischen Auswirkungen von Deutschlands Niederschmetterung thematisieren, z. B. den großen Austausch.
Kleiner Scherz, die dritte Kategorie gibt es natürlich nicht. Aber immerhin gehört „Das Boot“ nicht zu Kategorie Nummer 1, sondern nur zu Nummer 2. Und auch wenn Das Boot zwar kein antideutscher, aber auch kein dezidiert patriotischer Film ist, so ist er aus rechter Sicht dennoch wertvoll.
Nationaler Schatz von unerreichter Qualität
Für den unwahrscheinlichen Fall, dass der Leser noch nie etwas vom Boot gehört haben sollte: Es ist die Verfilmung von Lothar-Günther Buchheims gleichnamigem Bestseller aus dem Jahr 1973. Jener war Kriegsberichter der Wehrmacht und hat seine Erlebnisse auf Typ-VII-U-Booten in einen Roman einfließen lassen, der von einer Feindfahrt des Bootes U96 im Jahre 1941 handelt. Stärkstes Motiv sind dabei die Martyrien, welche die Besatzung zu erleiden hat (Untertitel des Filmes: „Reise ans Ende des Verstandes“), wegen derer Das Boot zu den Antikriegsfilmen gerechnet wird.
Besondere Merkmale des Filmes sind seine einzigartige Stimmung, sein hoher Grad an Detailverliebtheit, Realismus und Immersion und seine perfekte Gesamtkomposition aus schauspielerischer Leistung, Filmmusik, Kameraführung, Spezialeffekten und Sounddesign. Die hohe Qualität der Produktion wurde seither in Deutschland nicht wieder erreicht.
Ein durch und durch deutscher Film
Kurz gesagt: Das Boot gehört einfach zu unseren nationalen Schätzen. Nicht nur, weil es der international erfolgreichste und vielleicht beste deutsche Film ist – auch, weil es vor allem ein sehr deutscher Film ist. Mit einer von einem Deutschen geschriebenen, von Deutschen handelnden Romanvorlage, deutschem Drehbuch, Regisseur, Filmteam, Schauspielerriege, deutscher Produktionsfirma und vor allem: einem deutschen Durchhaltewillen und Perfektionismus bei der Produktion, der einen Wagners Zitat: „Deutsch sein heißt, eine Sache um ihrer selbst willen tun“ geradezu aufdrängt.
Um ein Haar wäre Das Boot allerdings nicht sehr deutsch geworden, sondern eine Hollywood-Produktion. Denn als Regisseure waren zunächst zwei Hollywood-Koryphäen vorgesehen und als Drehbuchautor ein „Ronald M. Cohen“. Zu dessen Skript merkte Buchheim entsetzt an: „Man hat aus meinem Buch einen japanischen Remmidemmi-Film gemacht und die Deutschen als Blutsäufer hingestellt.“ Der Intervention Buchheims ist es zu verdanken, dass aus dem Boot kein Film der Kategorie 1 wurde.
Einzigartige Ästhethik des Meeres
Um besser nachvollziehen zu können, was den einzigartigen Reiz des Films ausmacht, ist es aufschlussreich, einen Blick auf die Persönlichkeit Buchheims zu werfen: ein schon in jungen Jahren als Wunderkind gefeierter, außerordentlich talentierter Maler, Fotograf, Schriftsteller, Kunstsammler und Geschäftsmann, der es schon früh zu Reichtum brachte. Man merkt seinen Schriften wie auch dem Film deutlich an, dass er ein visuell denkender Mensch ist – ein Meister der Momentaufnahme. Stets spürt man Buchheims Sinn für die Ästhetik der ihn umgebenden Dinge, schon alleine an seinen zahlreichen malerischen und metaphernreichen Beschreibungen des Wetters:
„Der Mond ist ein fast kreisrund in das tintige Himmelstuch gestanztes Loch, durch das ein Schein von weißem Licht herunterfällt. Ein kalkiges, aber doch außerordentlich leuchtkräftiges Gaslicht. Über die Kimm hoch treiben ein paar Wolken wie graue Eisschollen. Sobald sie in den Schein des Mondes geraten, leuchten sie auf, kleiden sich kostbar ein, an einigen Stellen prunken sie wie mit Saphiren besetzt. Die See unter dem Mond wird zu einer riesigen Fläche aus knittrigem Silberpapier. Sie gleißt und blinkt und vertausendfacht den weißen Schein des Mondes. Es ist, als sei die See unter dem Mondlicht erstarrt.“ (Aus dem Roman Das Boot)
Vorbild Joseph Conrad
Hier ist der Einfluss seines Vorbilds Joseph Conrad erkennbar, des großen maritimen Schriftstellers und Kapitäns, welcher wie kein zweiter verstand, die vielfältigen Stimmungen der See und der sie befahrenden Menschen wortmächtig einzufangen. Conrads Buch „Der Spiegel der See“ war auf Buchheims Seereisen ein ständiger Begleiter. Für Conrad als auch für Buchheim ist das Meer ein „Spiegel“: In seiner Wandlungsfähigkeit, Gnadenlosigkeit, Schönheit, Grausamkeit geht es in Korrespondenz mit dem inneren Selbst und ist Anstoß zu Seelenschau und Selbstreflexion: „Einmal vor Unerbittlichem stehen“, wie im Film Buchheims Alter Ego Leutnant Werner den Schriftsteller Rudolf G. Binding treffend zitiert:
Einmal vor Unerbittlichem stehen
Wo keines Mutter sich nach uns umsieht
Kein Weib unsern Weg kreuzt
Wo nur die Wirklichkeit herrscht
Grausam und groß.
Ich war ganz besoffen davon.
Der Reiz des Schrecklichen existiert bei Buchheim, doch er liegt nicht im Niedermachen der Feinde Deutschlands, sondern in der der Gefahr stets innewohnenden Ästhetik. 1943 schrieb er über das U-Boot-Fahren:
„Ringsum haben wir nichts als das Meer. Das Unberechenbare, das Abenteuer erwartet uns. Es ist wunderbar, dieses Schiff unter den Füßen zu haben, unter einer Mannschaft handfester Kerle zu leben […] Die Mystik des Unvorhergesehenen und Ungewissen – das Abenteuer erfüllt unser ganzes Dasein.“ (Aus „Jäger im Weltmeer“)
Dieses Ästhetisieren, welches auch den Film prägt und einen unweigerlich an den Stil von Buchheims Jugendidol Ernst Jünger erinnert, ist es, welches Das Boot den Sphären des Politischen letztlich enthebt, ihn, ähnlich Jüngers Werk, greifbar macht für weder links noch rechts.
Wie die Linken sich empörten
Natürlich focht das unsere linken BRD-Schreibroboter nicht an, die nichts unversucht ließen, diesen allseits als Meisterwerk gefeierten, mit sechs Oscars nominierten Film niederzumachen. „Die Zeit“ schrieb: „… eine Trivialschnulze […], deren Schauspielerleistung sich zu 50 Prozent in männlich-hartem Blick und eisernen Backenmuskeln erschöpfte, wenn nicht gerade durchs Fernglas gestarrt wurde; deren politische Qualität – sprich: Nicht-Qualität – mich geradezu empört. Ein Kriegsfilm am Rande der Verherrlichung.“(Fritz J. Raddatz) Und die Autoren des Linksikons des Internationalen Films glaubten, schreiben zu müssen: „Der schon in der dreiteiligen Fernsehfassung fragwürdige Versuch, dem authentischen Stoff eine Antikriegstendenz abzugewinnen, scheitert in der gekürzten Kinofassung allerdings völlig. Hier bleiben […] nur die martialischen Knalleffekte übrig.“
Auch etliche der Schauspieler beklagten sich nach der Premiere darüber, dass der Film ja irgendwie gar kein richtiger Antikriegsfilm geworden sei, sondern nur ein Kriegsfilm. Und tatsächlich – es gibt wirklich einige Szenen, in denen die deutschen Seemänner nicht Todesängste erleiden, schimmeliges Brot essen, verwundet werden oder sterben, sondern optimistisch und voll des Jagdfiebers zu aufpeitschender Musik dem Feind entgegenpreschen. Sowas geht natürlich gar nicht! Doch glücklicherweise hat man aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt: Die Fernsehserie „Das Boot“ von 2018 ist endlich politisch korrekt und zeigt folgerichtig nur noch deprimierte Visagen zu trauriger Musik. Freilich ist die Serie ein ziemlicher Flop.
Rechte Kritik am Werk
Allerdings kam auch von rechts einige Kritik am Boot. Vor allem von Buchheim selber, der sich über die übertriebene Emotionalität der Darstellung mokierte und sich insbesondere über die von Regisseur Wolgang Petersen hinzugedichtete Szene beschwerte, in der ein Matrose als Frau verkleidet ein frivoles Tänzchen im Bugtorpedoraum aufführt (Buchheim: „Wenn das in den Film kommt, laufe ich Amok!“).
Interessanterweise musste Buchheim für seinen Roman zuvor selber schon ganz ähnliche Kritik einstecken, nämlich von einigen ehemaligen U-Boot-Assen, welche den im Buch wiedergegebenen U-Boot-Jargon als nicht authentisch und zu vulgär ansahen. So monierte Eichenlaubträger Korvettenkapitän a. D. Adalbert Schnee: „Was da an ekelerregenden Schweinereien vorkommt, hat es bei uns nicht gegeben!“
Ein kleiner Sieg
Kommen wir zum Ende. Was hat nun der Film, neben dem Erwähnten, für uns Rechte noch zu bieten? Er dokumentiert authentisch und würdig (und nicht aus Siegerperspektive) einen zugleich grausamen wie faszinierenden Abschnitt unserer Geschichte und setzt den 40.000 deutschen U-Boot-Männern, von denen 30.000 auf See blieben, ein größeres Denkmal, als es ihnen die BRD ohne die künstlerische Wucht dieses Filmes jemals zugestanden hätte.
Er enthält nichts von dem, was Linke heute unbedingt in Filmen sehen möchten (mit Ausnahme natürlich von sterbenden Deutschen). Noch nicht mal Frauen. Das Boot bietet deutsche Helden, eine martialische Schönheit und eine romantische Auseinandersetzung mit dem Meer. Und es stellt einen Höhepunkt deutscher Filmkunst dar, auf den man mit einigem Stolz blicken kann. Vielleicht ist Das Boot ein kleiner Sieg, der dem verlorenen U-Boot-Krieg doch noch irgendwie abgerungen werden konnte.
Es gibt den Film in mehreren Versionen. Ich teile die allgemeine Ansicht, dass es lohnt, sich für die längste von 309 Minuten zu entscheiden.