Kaum eine andere Nation hat ein so angespanntes Verhältnis zur eigenen Nationalhymne, wie es die deutsche hat. Bei vielen herrscht sogar die Vorstellung, unsere Nationalhymne wäre verboten – eine reichlich absurde Vorstellung, stammt die Hymne doch aus dem 19. Jahrhundert und hat mit dem ewigen Butzemann der üblichen 10 Jahre absolut gar nichts zu tun. Doch wem kann man diese Fehlvorstellung verübeln, wenn Staat und Medien jede nationale Regung verteufeln? Den Eliten dürfte ganz recht sein, wenn niemand sich traut, seinen Nationalstolz öffentlich zu äußern, indem man die deutsche Hymne singt.
Tatsächlich stammt unsere Hymne aus der Feder August Heinrich Hoffmann von Fallerslebens, der sie am 26. August 1841 auf Helgoland niederschrieb:
Deutschland, Deutschland über alles,
Über alles in der Welt,
Wenn es stets zu Schutz und Trutze
Brüderlich zusammenhält,
Von der Maas bis an die Memel,
Von der Etsch bis an den Belt –
Deutschland, Deutschland über alles,
Über alles in der Welt!Deutsche Frauen, deutsche Treue,
Deutscher Wein und deutscher Sang
Sollen in der Welt behalten
Ihren alten schönen Klang,
Uns zu edler Tat begeistern
Unser ganzes Leben lang –
Deutsche Frauen, deutsche Treue,
Deutscher Wein und deutscher Sang!Einigkeit und Recht und Freiheit
Für das deutsche Vaterland!
Danach lasst uns alle streben
Brüderlich mit Herz und Hand!
Einigkeit und Recht und Freiheit
Sind des Glückes Unterpfand –
Blüh im Glanze dieses Glückes,
Blühe, deutsches Vaterland!
So großer Beliebtheit erfreute sich das Lied der Deutschen beim Volk, daß es schon im Kaiserreich die heimliche Nationalhymne darstellte, anstelle von „Heil dir im Siegeskranz“. Da sich das Volk selbst dieses Lied zur Hymne erwählt hat, ist es nur folgerichtig, daß diese 1922 endlich auch offiziell zur Nationalhymne erklärt wurde. Und auch in der Bonner Republik galten ab 1952 die vollen 3 Strophen als Nationalhymne, wiewohl man inzwischen Abstand von den ersten beiden Strophen nahm.
1991 schließlich erklärten in typischer BRD-Manier Bundespräsident und Bundeskanzler ohne Absprache mit dem Volk und daher wohl auch in komplettem Mißverständnis, was das Wort „Volksvertreter“ bedeutet, die alleinige dritte Strophe zur Nationalhymne. Zitat aus der Wikipedia zum Artikel über „Das Lied der Deutschen“ vom 23.6.2024:
„Bundespräsident Richard von Weizsäcker schrieb Bundeskanzler Helmut Kohl in einem Brief vom 19. August 1991: „Die 3. Strophe des Liedes der Deutschen von Hoffmann von Fallersleben mit der Melodie von Joseph Haydn ist die Nationalhymne für das deutsche Volk.“ Kohl stimmte dem mit Schreiben vom 23. August 1991 „namens der Bundesregierung“ zu.“
Verboten sind die beiden anderen Strophen deshalb nicht, und das ist auch gut so. Denn erst durch sie ist die deutsche Nationalhymne auch zu verstehen, wie wir im folgenden zeigen werden.
Die 1. Strophe: Deutschland über alles
Gerade die erste Strophe wird in der notorischen BRD-Mißrepräsentation allen deutschen Kulturguts stets als imperialistisches Bekenntnis dargestellt:
„Deutschland, Deutschland über alles,
Über alles in der Welt.“
Die ersten zwei Verse liest man gerade noch, aber sich mit dem Rest auseinanderzusetzen, ist dann doch zu viel verlangt für die linke Bourgeoisie. Wie bei den Linken üblich, beschäftigt man sich nur oberflächlich mit der Thematik. Wen wundert es, daß man deshalb zu Ergebnissen kommt, die weder dem Text selbst, noch dem Verfasser oder einer geschichtlichen Betrachtung gerecht werden?
Schon die genannten territorialen Grenzen beweisen, daß es sich hier nicht um imperialistische Bestrebungen handelt. Sonst hieße es nicht von der Maas bis an die Memel, sondern von der Maas bis an die Maas – einmal rund um den Globus. Doch solche Gedanken waren Hoffmann von Fallersleben fremd, was auch jeder wissen sollte, der sich näher mit ihm beschäftigt hat. Seine Herzensangelegenheit war ein freies, einiges Deutschland, wovon man in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nun wahrlich nicht sprechen kann. Gerade vor dem Hintergrund der deutschen Vielstaaterei ist es nicht selbstverständlich, welche Ausdehnung man sich für ein einiges Deutschland vorstellt. Die im Lied genannten Grenzen sind der Versuch, das deutsche Siedlungsgebiet dieser Zeit geographisch zu fassen. Denn „Deutschland“ im engeren Sinne existiert noch gar nicht; nur ein Flickenteppich zahlreicher deutscher Lande. Und was sich darin befindet, gehört zusammen und soll zusammen halten.
Statt weiter durch Kleinstaaterei ein Spielball fremder Mächte zu werden, wie es in den Napoleonischen Kriegen und nur zweihundert Jahre zuvor im Dreißigjährigen Krieg der Fall war; wie es durch die aufsteigenden Großmächte Europas aufs neue dräute, ruft Hoffmann die Fürstentümer dazu auf, „zum Schutz und Trutze“ brüderlich zusammenzuhalten. Davon, andere Völker anzugreifen, findet sich nichts in diesen Versen.
„Deutschland über alles“ ist vielmehr der Leitstern, unter dem das deutsche Volk in Frieden leben darf. Diese selbstbestimmte Existenz soll in den Herzen der Deutschen über allem stehen, und nur durch einen einigen Nationalstaat, der alle Deutschen, von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt, unter seinen Schutz stellt, ist dieses realisierbar.
Die 2. Strophe: Ein Lobgesang auf das Eigene
Daß es in der BRD gar nicht um eine sachliche Auseinandersetzung mit der Nationalhymne geht, erkennt man auch daran, daß auf die zweite Strophe verzichtet wird. Mag man bei der ersten immerhin noch argumentieren können, daß die dort genannten Grenzen nicht mehr zeitgemäß sind und man sie deshalb aus Pietät gegen die betroffenen Nationen ausläßt, so kann sich über die zweite Strophe wohl nur empören, wer deutsche Kultur haßt und verachtet.
Denn was enthält diese Strophe als einen Lobgesang auf das Eigene? Auf unsere Tugenden, die noch heute in der ganzen Welt als vorbildlich gelten; auf unsere Frauen und auf unsere Lieder? Gerade bei Fallersleben, einem studierten Sprachwissenschaftler, darf man annehmen, daß er sehr wohl wußte, welch besondere Tradition das Volkslied im Deutschen hat, und daß selbst in unseren Marschliedern noch zärtlich die Frauen besungen werden.
Kenner von Hoffmann wissen, daß seine Lyrik fest im deutschen Volkstum verwurzelt ist, und viele seiner Lieder noch heute gesungen werden, ohne daß man überhaupt den Autor kennte. „Meine ganze Poesie […] ist reine Lyrik und dazu rein deutsche und will auch weiter nichts sein, unzertrennlich vom Gesang…“ (Fallersleben: Mein Leben) Dieses urtümliche Lebensgefühl zu erhalten und zu bewahren war ein wichtiger Anspruch des Dichters, und dies schlägt sich auch in den Versen des Deutschlandliedes nieder: Die deutschen Werte „sollen in der Welt behalten ihren alten schönen Klang.“ Denn sie begeistern zur „edlen Tat“, den Jüngling wie den Greis, „unser ganzes Leben lang“. Auch hier zeichnet sich deutlich ab, daß Hoffmann klar war, wie wichtig ein einiger Nationalstaat für das positive Lebensgefühl seiner Bürger ist.
Die 3. Strophe braucht die beiden anderen
Erst jetzt ergibt auch die dritte Strophe einen Sinn. Jetzt, wo man weiß, wie dieses Deutschland aussehen soll, erst jetzt kann man nach seiner „Einigkeit und Recht und Freiheit“ streben. Vorher gab es dieses Deutschland nicht. Die dritte Strophe für sich genommen ist im historischen Kontext der Vielstaaterei ein inhaltloses Geschwätz, weil das, was sie erstreben will, zu dieser Zeit noch niemand kennt. Und deshalb sind die ersten beiden Strophen für ein wirkliches Verständnis unserer Nationalhymne unabdingbar.
Hoffmann besingt nicht „Einigkeit und Recht und Freiheit“ um ihrer selbst Willen, sondern zum „Schutz und Trutze“ von „deutschen Frauen, deutscher Treue, deutschem Wein und deutschem Sang.“ Erst jetzt greift das gesamte Lied fugenlos ineinander und ergänzt sich gegenseitig zum Wunsch einer glücklichen staatlichen Ordnung, nach der man mit Herz und Hand streben kann.
Die dritte Strophe allein herunterzuleiern paßt zwar zu den hohlen Phrasen gewisser Politiker, kann jedoch unmöglich dem hohen Anspruch an echtes Deutschtum gerecht werden. Wer die deutsche Nationalhymne wirklich verstehen will, der muß sich in Gänze mit ihr auseinandersetzen.
Vergleich zu anderen Nationalhymnen
Sehen wir uns zum Abschluß noch die Hymnen einiger anderer Nationen an. Der Kehr der französischen Nationalhymne, der Marseillaise, lautet beispielsweise wie folgt:
„Zu den Waffen, Bürger,
Formiert eure Truppen,
Marschieren wir, marschieren wir!
Daß unreines Blut tränke unsere Furchen!“
Das sind doch einmal Verse voll Gewalt und Herrschaftsanspruch! Sie sprechen von Überzeugungen, die sich notfalls mit der Waffe durchsetzen wollen. Truppen marschieren und es wird zum Mord aufgerufen am „unreinen“ Feind.
Mit dieser blutigen Sprache ist die französische Nationalhymne übrigens keine Ausnahme. Der Kehr der italienischen Nationalhymne lautet wie folgt:
„Laßt uns die Reihen schließen,
Wir sind bereit zum Tod,
Wir sind bereit zum Tod,
Italien hat gerufen! Ja!“
Die Briten wenden sich in „God Save the King“ mit der expliziten Bitte an den Allmächtigen, die Feinde des Königs samt ihrer „schurkischen Pläne“ zu durchkreuzen.
Und auch die tolle Freiheitsnation VSA ist sich nicht zu schade, Mord und Totschlag in ihrer Nationalhymne zu verherrlichen:
„Keine Zuflucht konnte retten
Die Söldlinge und Sklaven
Vor dem Schrecken der Flucht
Oder dem Dunkel des Grabes.“
Solche Verse als Ausdruck deutschen Geistes wären völlig unvorstellbar. Sie sind wider den Geschmack unserer Denkernation, die ihre Größe ganz im Verständnis Schillers nicht darin sucht, „obzusiegen mit dem Schwert“, sondern „höhern Sieg“ zu erringen.
Der Geist deutscher Lyrik
Wir haben bereits festgestellt, daß deutsche Marschlieder zumeist von unseren Frauen handeln, und auch unsere Nationalhymne atmet deutschen Geist. Doch erst, wenn man sie mit anderen Hymnen vergleicht, erkennt man zur Gänze, wie viel Hingabe und Empfindsamkeit im Lied der Deutschen schwingen. Unsere Nation ist ganz gewißlich keine Nation von Gewalttätern und Mördern. Und der Beweis ist das Lied, das wir uns zur Hymne erkiesen haben.