Ein wenig wunderlich ist es schon, dass der martialisch klingende deutsche Titel „Alles für den Sieg“ irgendwie durchgerutscht ist. Trotzdem suggeriert er eine Flachheit, die dem vielschichtigen und auch gefühlvollem Film nicht gerecht wird.
Auch wenn „Rush “ mittlerweile über 10 Jahre auf dem Buckel hat, so gehört er für mich doch zu den neuesten Filmen, die ich bedenkenlos empfehlen kann. (Vielleicht erinnert ihr euch noch an meine Schimpftirade über das moderne Kino.) Zwar ist Rush nicht gänzlich frei von modernen Stil-Sünden, aber sie drängen sich nie in den Vordergrund. Dafür wurden tatsächliche historische Ereignisse auf geschickte Weise in eine bedeutungsvolle Erzählung überführt. Er gehört zu der Sorte Film, die man sich immer anschauen kann. Ob alleine, mit Freunden oder Familie. Zu jeder Jahreszeit und in jeder Stimmung.
Zwei Männer, Zwei Archetypen
Aber nun zum Eingemachten: Rush handelt von der Rivalität zweier berühmter Formel 1 Rennfahrer, dem Österreicher Niki Lauda (Daniel Brühl) und dem Briten James Hunt (Chris Hemsworth). Doch der Streifen kann mehr als bloße Bespaßung von Motorsport-Enthusiasten, weshalb man ihn auch dann genießen kann, wenn man sich noch nie im Leben ein Autorennen angesehen hat. So gewinnt das Duell um die Meisterschaft einen überzeitlichen Charakter, der weit über den Sport hinausgeht, denn beide Protagonisten verkörpern jeweils gegensätzliche Archetypen.
James Hunt ist der Inbegriff des Alphatiers, groß, sexy, gutaussehend und die Mädchen laufen ihm in Scharen hinterher. Sich auf eine Frau festzulegen fällt ihm schwer, denn im Handumdrehen hat er die nächste in der Kiste. Das Meme des „Chad“ aus dem Internetjargon trifft den Nagel auf den Kopf. Kein Risiko ist ihm zu groß. Jeden Tag stürzt er sich von Neuem in das Leben, als wäre es die letzte Chance.
Im Gegensatz zum extrovertierten Hunt wirkt der schmächtige Niki Lauda unscheinbar. Er ist ein leicht autistischer Techniknerd, der keine Entscheidung dem Zufall überlässt, sondern alles strategisch und gründlich plant. Aber hinter der Fassade des Außenseiters verbirgt sich ein knallharter Kampfesgeist und Durchhaltewille, der selbst Hunt bis an seine Grenzen bringt.
Eine klassische Geschichte
Diese beiden Charaktere mit ihren ganz eigenen Lebensentwürfen prallen nun aufeinander. Bei der Jagd auf den Weltmeistertitel treiben sich die Kontrahenten zum Äußersten an und setzen dabei ihr Leben aufs Spiel. Es zeigt sich ein Wesenszug, den Spengler als den faustischen Willen der abendländischen Kultur bezeichnet. In einer Welt, in der alle Meere umschifft und alle Berge erklommen wurden, schafft sich der faustische Mensch schließlich selbst die Gefahr, an der er sich beweisen und an der er wachsen kann. So quetscht er sich in Rennwagen, stopft sie mit modernster Technik voll und brettert mit 450 PS über die Piste.
In unserer Postmoderne ist jeder Film, der noch eine klassische Geschichte erzählt und ohne linksliberale Propaganda auskommt, ein Aufatmen. Und die Geschichte des Wettkampfs reicht bis in die Antike zurück. Unserer Zeit entsprechend ist die Disziplin kein Bogenschießen oder Pferderennen mehr, es geht darum, wer mit seinem Automobil schneller um die Kurven schmettert. Und doch ist der Kern der gleiche: Zwei Männer treten gegeneinander an, um zu beweisen, wer der beste der Welt ist.
Der schlechte Rennfahrfilm: Ford v. Ferrari
Warum Rush überzeugt, wird besonders im Vergleich zu dem zweiten Rennfahr-Film ein paar Jahre später deutlich, der alles falsch macht: „Ford v Ferrari“ (auf Deutsch „Le Mans 66 – Gegen jede Chance“) (2019) zeigt nicht mehr den Wettstreit zwischen echten Männern, sondern er versucht uns einen amerikanischen Industriepatriotismus zu verkaufen. Wir sollen mit dem Goliath Ford mitfiebern, wie er gegen das kleine italienische Ferrari antritt, weil es so dreist war, sich nicht von den Amerikanern aufkaufen zu lassen! Am Ende der Fehde steht ein langweiliges 24-Stunden-Rennen, das durch technische Probleme entschieden wird. Auch der eigenwillige Protagonist begnügt sich letztlich damit, bloß ein Rädchen in der Industriemaschine zu sein.
Schlusswort
Zurück zur Formel 1: Ich könnte jetzt noch im Detail darauf eingehen, wie Rush seine Geschichte entwickelt, warum er mehr ist als bloß Nostalgie für Boomer und wie die Musik von Hans Zimmer sich darin einfügt, aber wisst ihr was: Wenn ihr ihn nicht kennt, schaut ihn euch doch einfach an! Dann wisst ihr, was ich meine.