Dieter Wieland war für mich die große Entdeckung aus dem Buch im Haus nebenan. Das besondere an seinen Werken ist die klare Sprache, mit der es ihm gelingt, uns für die Schönheit von traditionellen Dörfern und Landschaften zu begeistern. Bei ihm wird das Dorf zu einem Lebensraum. Es fügt sich in die Landschaft ein, wird von Bäumen geschützt, die blühen und Schatten spenden. Dem gegenüber ist Wieland scharfer Kritiker des modernen Materialismus, der Sterilität und des Kitsches.
Bekannte Bücher von ihm sind „Bauen und Bewahren auf dem Land“ und „Grün Kaputt“. Die gleichen Themen behandelt er auch im Film. Seine Dokumentationen aus den 70er bis 90er-Jahren wie Unser Dorf soll häßlich werden, Grün kaputt und Bauen auf dem Land sind heute auf Youtube zu finden.
Das vermittelte Lebensgefühl
„Die große synthetische Künstlichkeit. Der Gipfel der Sauberkeit ist die Leblosigkeit. Deutschland ist kalt geworden und hart, aber sauber.“
Die Genialität von Dieter Wieland liegt auf mehreren Ebenen. Ganz entscheidend dabei ist das Lebensgefühl, das er vermittelt. Ich möchte versuchen, dieses Lebensgefühl mit ein paar Worten zu umschreiben: Bescheiden, Beschaulich, Gemütlich, Idyllisch, Organisch, Naturverbunden, Traditionsbewusst und Lebensbejahend. Es ist das Gefühl, dass in unserer modernen und künstlichen Welt etwas verloren gegangen ist. Zwar gibt es immer neue Baustoffe und Verarbeitungstechniken, die unserer Fantasie keine Grenzen mehr setzen, aber wir wissen nichts mehr damit anzufangen.
Das traditionelle Bauernhaus, mit nur einfachsten Mitteln gebaut, bewirkt hingegen eine Harmonie. Es ist das Resultat über Jahrhunderte perfektionierter Handwerkskunst. Es fügt sich in das Dorf ein und beim Betrachten empfinden wir Freude. Leider werden die Menschen immer blinder. Der Wert wird nicht mehr erkannt, es wird abgerissen und durch ein lebloses Haus von der Stange ersetzt. Deutschland ist wieder ärmer geworden.
Ästhetik wieder erlernen
Ebenso, wie die fehlende Ästhetik moderner Kunstwerke, die unsere Musen okkupieren, ist der Kulturverfall in der Architektur zu beobachten. Und das nicht erst seit gestern. Die unförmigen Betonklötze der 60er und 70er-Jahre sind genauso hässlich wie die „Commieblocks“ auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs. Doch bereits in den 20er-Jahren gab es erste Vorzeichen des Niedergangs. Das modernistische Bauhaus wurde gegürndet und man begann den Häusern aus der Gründerzeit die Verzierung abzuschlagen. (Entstuckung)
Schließlich sind die ästhetischen Standards in Architektur und Landschaftsgestaltung fast gänzlich verschwunden. Der Sinn für Ästhetik wurde verbannt und ist auf ein unterbewusstes Gefühl zusammengeschrumpft. Wenn wir aufmerksam sind, können wir erspüren, wenn etwas schön ist. Umgekehrt merken wir auch, wenn eine Umgebung unangenehm und abweisend auf uns wirkt. Aber warum?
Wieland führt uns vor Augen, dass Ästhetik erlernt werden kann. Dazu muss uns jemand anhand von Beispielen die Wirkung von Formen, Stoffen und Kombinationen erklären. Erst durch dieses Wissen verstehen wir, woher unsere intuitive Wahrnehmung stammt. Und unsere Umgebung zu verstehen ist die Voraussetzung, um selber gestalterisch aktiv zu werden.
Doch dieses Wissen ist in Vergessenheit geraten ist. Mit gravierenden Folgen! Unsere Umwelt wird immer hässlicher und die Lebensqualität sinkt. Es muss unser oberstes Ziel sein, dieses Wissen wieder zu erschließen und weiterzugeben.
Kapitalismuskritik
In Wielands Werken findet sich immer wieder eine Kapitalismuskritik. Manchmal unterschwellig, wenn er konstatiert: „30 Jahre Waschmittelwerbung sind nicht spurlos an uns vorübergegangen“. An anderer Stelle aber auch explizit.
In „Grün kaputt“ beschreibt er, wie (Agrar-)Industrie und Infrastrukturprojekte Kulturlandschaften nachhaltig zerstören. So setze er sich gegen den Bau der A94 durch das Isental ein. Flurbereinigung auf der einen, das Plattwalzen historischer Häuser mit dem Bulldozer für breitere Straßen auf der anderen Seite, im Namen der Effizienz und Wirtschaftlichkeit wird das organisch gewachsene Dorf nach und nach zerstört.
Doch nicht nur das Dorf wurde verschandelt. In der modernen Stadt ist alles bloß auf das Auto ausgerichtet. Die Häuser und Wohnblöcke stehen einzeln, wahllos platziert in der Gegend. Also Folge davon gibt es nur noch wenig Straßen und Plätze, in denen man sich begegnet und in denen Kinder spielen können. Alles wird einförmig und trostlos.
Damit spricht Wieland einen entscheidenden Punkt an: Wer keinen Sinn für Ästhetik und die damit verbundene Lebensqualität besitzt, der kann nicht verhindern, dass wir Kultur verlieren. Harte Zahlen wie „500 Arbeitsplätze“ und „10.000 Autos am Tag“ schlagen das nicht messbare Kulturgut.
Einschub: Die Grünen – Ein Teil des Problems
Kritik am Auto und das Blockieren von Infrastrukturprojekten… kennen wir das nicht von der grünen Partei? Ja, den Grünen ist es zu einem Teil gelungen, das Lebensgefühl, welches Wieland beschreibt, zu kapern. Sie werden von vielen Bürgern wegen ihrer Sehnsucht nach Kultur und Umweltschutz gewählt, bekommen aber nur eine linksgrüne Plastikwelt.
Das liegt an den folgenden Punkten:
- Fundamental für Dieter Wieland sind die Kulturleistungen unserer Vorfahren. Mit nur wenigen regionalen Baumaterialien und mit wenig Geld haben sie über Jahrhunderte gelernt, das Beste aus den begrenzen Möglichkeiten zu machen. Dieser Respekt vor unseren Ahnen hat die grüne Schickeria vollends verloren.
- Ästhetik setzt voraus, die Natur des Menschen zu akzeptieren. In einer Welt, in der jede Wahrnehmung als subjektiv abgetan wird, kann es keine kulturellen Standards geben. Für die Grünen ist ein solcher Fakt aber bereits engstirnig und diskriminierend.
- Wieland beschreibt ein lokales, ein regionales Denken. Während die Grünen die Welt retten möchten, geht es bei Wieland um das Dorf von nebenan. Ein altes Haus renovieren, einen heimischen Baum pflanzen, das sind alles kleine und erreichbare Ziele.
Schließlich haben wir es bei den Grünen mit fanatischen Ideologen zu tun, welche keine Skrupel haben Kultur zu zerstören, wenn sie einmal als „diskriminierend“ gilt. So würden sie am liebsten alle Bücher in gendergerechte Sprache umschreiben lassen. Mit einer solchen Rücksichtslosigkeit lässt sich nichts bewahren.
Witz und Kompromisslosigkeit
Zurück zu Dieter Wieland. In seiner Kompromisslosigkeit findet er einfache und klare Worte, die er mit Witz und Humor anreichert:
„Zu laut, zu grell, zu klein kariert, zu aufgedonnert mit Plastik und Aluminium. Ein bisschen Schloss und Villa, ein bisschen Film und Urlaubskitsch aus Hollywood und Teneriffa. Muss unsere Landschaft nur noch Laderampe sein für Träume von der Stange?“
Andere hätten zu einem solchen Thema trockene und fade Sachbücher geschrieben und sich in Details verzettelt. Doch Wieland holt seine Leser und Zuschauer ab. Durch viele Beispiele veranschaulicht er seinen Standpunkt, was gerade für Laien hilfreich ist.
Damit gibt Wieland auch ein Beispiel, wie ein Stil aussehen kann, der sich für die Bewahrung von Tradition einsetzt. Wir brauchen keine abgehobenen und verkopften Bücher. Stattdessen müssen wir lernen, eine Sprache zu finden, welche unsere Sehnsucht nach Kultur ausdrückt.
Ich möchte den Artikel mit einem letzten Zitat abschließen:
„Heute sind es Hunderte von Materialien aus aller Welt. Der Geschmack ist überrollt. Wer sich bei diesem Superangebot nun doch für die 5 Hergebrachten entscheidet, muss notwendigerweise in Kauf nehmen, dass er als altmodisch gilt und erzkonservativ.
Oder weiß er mehr und hat sich nicht verwirren lassen?“