Wie geht es eigentlich vonstatten, ein Linker zu werden? In etwa so: Man wächst wohlbehütet auf, Mama redet einem ein, dass man etwas ganz Besonderes sei, eine Art Prinz. Dann aber naht das Erwachsenenalter, das Berufsleben dräut, und somit der Zeitpunkt, ab dem man sich plötzlich konfrontiert sieht mit einer Welt der Mühsal und der Konkurrenz.
Das verlockende Angebot der Linken
Eine Welt, so schwant einem, in der man aller Voraussicht nach nicht die Rolle des Prinzen wird einnehmen, sondern die irgendeines Rädchens im Getriebe. Die Prinzenrolle, wird einem schmerzlich bewusst, bleibt Leuten vorbehalten, die kompetenter, intelligenter, skrupelloser als man selber sind, oder aus besserem Elternhause stammen.
Ja, Erwachsenwerden tut weh. Und exakt dies ist der Zeitpunkt, ab dem der Leftismus attraktiv für einen zu werden beginnt. Der Leftismus sagt: „Keine Sorge, du bist tatsächlich der Prinz, für den dich Mama immer gehalten hat, aber du wurdest eben in eine Welt hineingesetzt, in der ungerechterweise Menschen über dir stehen, die da nicht hingehören. Moralisch aber stehen diese Menschen weit unter dir, denn du bist eine gute Person, und die da oben sind böse Personen. Sie sind die, die Atomkraftwerke bauen, arme Länder und Menschen ausbeuten, die Welt in die Klimakatastrophe stürzen und außerdem sind sie rassistisch und sexistisch. Du bist das alles nicht. Du bist besser.“
Ein verlockendes Angebot. Alles, was man nach dieser Logik tun muss, um sich weiterhin als Prinz zu fühlen, ist, einfach tüchtig auf die Moral zu pochen. So lassen sich alle, die mächtiger und fähiger als man selber sind, mit Leichtigkeit abwerten, und man selbst bleibt stets was ganz Besonderes, ohne wirklich Besonderes leisten zu müssen.
Die Alternative: Freundlichkeit & Charme
Auch ich sah mich in diesem Alter den Lockungen des Leftismus ausgesetzt und stand tatsächlich schon im Begriff, zum Zwecke des Mich-besser-Fühlens die Welt zu hassen. Doch meiner Linksverdrehung wurde Einhalt geboten. Unter anderem, weil ich damals den hier vorgestellten Film sah, die Verfilmung von Thomas Manns „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“, des unterhaltsamsten Romans des bedeutendsten deutschen Romanciers, den ich mir auch gleich darauf als Taschenbuch besorgte und mit viel Begeisterung las.
Mit Felix Krull wurde mir ein junger Mann präsentiert, nur wenig älter als ich selbst, der die Welt absolut nicht hasst, sondern im Gegenteil, gestreng seines Mottos lebt: „Liebe die Welt, und sie wird dich lieben“. Gesellschaftlich höherstehenden Persönlichkeiten begegnet Felix nicht mit Missgunst und Abwertung, sondern mit Freundlichkeit und gutem Auftreten. So schafft er es, sich spielend in den verschiedenen Gesellschaftsschichten zu bewegen und sich ein aufregendes und komfortables Leben zu schaffen. Freilich bedient er sich dabei auch etlicher fauler Tricks und begeht sogar einen Diebstahl, aber selbst seine Missetaten führt er stets auf so charmante und graziöse Weise aus, dass man es ihm nie wirklich verübeln möchte.
Liebe das Leben
Durch Felix Krull sah ich mich vor die Wahl gestellt: Willst du deine Erwachsenenzeit wirklich als Kommunist verbringen – zwar ausgestattet mit einem moralischen Nimbus, aber mit dem erheblichen Nachteil, stets hassen und abwerten zu müssen, um dich gut zu fühlen. Oder willst du es lieber wie Felix Krull halten, wie jemand, der die Welt liebt und dafür zurückgeliebt wird und andere Menschen stets als potentielle Verbündete und Förderer ansieht, statt als Hassobjekte. Und so sehr mir die Vorstellung von mir als moralischer Instanz damals gefiel, so lockte mich die zweite Option doch mehr. Das optimistische Voranschreiten, in Freundschaft mit der Welt, erschien mir als deutlich logischerer Pfad zur Glückseligkeit als das linke Hadern mit selbiger.
Selbstverständlich lässt sich die Figur des Narzissten Krull, welche ein Übermaß an Empathie und Galanz, dafür aber kaum Moral besitzt, nun kaum als rechtes Idealbild charakterisieren. Dennoch möchte ich sie dem Stereotyp des hypermoralischen Linken als positiven Gegenentwurf gegenüberstellen. Felix handelt egoistisch, oder, wie er es ausdrücken würde: „mit großer Selbstliebe“, und dennoch profitieren alle von der Begegnung mit ihm; sogar die Dame, welcher er die Juwelen raubt. Ähnlich verhält es sich mit der rechten Weltsicht: Die Liebe zum Eigenen kommt an erster Stelle, aber am Ende steht als Resultat dennoch das größere Wohl für alle.
Die Doppelte Optik
Auch ist in Felix Krull das oft mit Thomas Mann in Verbindung gebrachte nietzscheanische Prinzip der „Doppelten Optik“ verwirklicht, womit die gleichzeitige Befriedigung von simplen und hohen Ansprüchen des Genusses gemeint ist: Einerseits ist die Geschichte unterhaltsam und mitreißend, eine Schelmengeschichte im klassischen Sinne. Andererseits besticht sie durch einen pittoresken Reichtum an feinsinnigen Betrachtungen und duftiger, fein ziselierter, gehobener Sprache, wegen derer Thomas Mann eben Thomas Mann ist.
Auch die Figur des Krull selbst verkörpert die Doppelte Optik: Einerseits ist Krull durch seine Begabung und Intelligenz ein Außenseiter, doch andererseits fällt es ihm überhaupt nicht ein, auf irgendeine Weise unter seinem Außenseitertum zu leiden, oder sich in ein intellektuelles Schneckenhaus zu flüchten. Nein, er nutzt seine Geistesgaben vollkommen unapologetisch für seine Zwecke aus; entwickelt seine Kunst, Zugang zu den höchsten Gesellschaftsschichten, den begehrenswertesten Frauen und den anderen schönen Lustbarkeiten des Lebens zu erlangen. Dionysisches und Apollinisches Prinzip in zärtlicher Verschmelzung.
Fazit
Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull ist ein Lustspiel, aber eines mit Anspruch. Es kommt vollkommen ohne Gewalt aus, ist aber trotzdem unerhört spannend und kurzweilig. Horst Buchholz, dem „deutschen James Dean“ und späteren Hollywood-Star, ist die Rolle des Krull wie auf den Leib geschnitten, er überzeugt durch seine schauspielerische Leistung ebenso wie durch sein gutes Aussehen. Und mit Liselotte Pulver kann der Film mit einer der attraktivsten Schauspielerinnen aufwarten, die das damalige Deutschland zu bieten hatte.