“Die Schöne und das Biest” als Schauergeschichte, diese Hinwendung zur Schwarzen Romantik steckt bereits im Titel: Aus der Schönen ist die Jungfrau geworden, aus dem Biest das Ungeheuer. Die Jungfrau ist eine klassische Figur der Gothic-Literatur und steht für Schönheit, Jugend, Unschuld und Tugend. Das Biest ist kein Disney-Plüschteddy, sondern ein grässliches Mischwesen, halb Mensch, halb Tier, mit scharfen Krallen und einem abstoßenden Vogelkopf.
Romantik ist Rechts
An dieser Stelle wird sich der geneigte Leser vielleicht fragen, was an einem Schauermärchen rechts ist. Um darauf eine Antwort zu geben, müssen wir der Spur zurück zu den Anfängen des Genres folgen. Wie das Sammeln von Märchen entstammt auch das Genre des Horrors der Epoche der Romantik. Und wie uns Rechten war es den Romantikern an einer Rückbesinnung gelegen. Sie stellten sich gegen den Zeitgeist der Industrialisierung, mit seinem sterilen Vernunftdenken, das mit allen Traditionen bricht und Mensch und Umwelt auf seine Nützlichkeit reduziert.
Sie erforschten unsere Wurzeln und entdeckten dabei das Geheimnisvolle der Natur und des Mittelalters. Es war aber auch ein Hineinspüren in unser Innerstes. Sie gingen den Gefühlen auf den Grund und verwischten die Grenze zwischen Traum und Wirklichkeit. Dabei wandten sich die Romantiker auch dem Unheimlichen zu, ergründeten Furcht und Vergänglichkeit, wurden gepackt von der Faszination für den Tod, das Böse und die Abgründe der menschlichen Seele. Für uns ist es spannend nachzuempfinden, was die Romantiker bei ihrer Abkehr von der Moderne erblickt haben.
Dichte Atmosphäre
Der Bezug zur Romantik ist filmisch großartig in Szene gesetzt und lässt uns unmittelbar in eine schauerliche und dichte Atmosphäre eintauchen. Händler ziehen ihre Wagen durch eine neblige Sumpflandschaft. Sie haben sich verirrt. In der Ferne heulen Wölfe. Tote Bäume ragen nackt und kahl in den Himmel. Ein Schwarm Raben fliegt krächzend durch die Luft.
Ruinen, kahle Bäume, Nacht und Nebel, das sind typische Elemente, die wir von romantischen Gemälden kennen. Dazu passen die vielen dunklen Szenen, die oft nur von Feuer oder Kerzenschein erhellt werden. Der Figur des Ungeheuers entsprechend spielt die Handlung in einer unheimlichen, gotischen Schlossruine, die sich in einem verfluchten Wald verbirgt. Großaufnahmen von schreckensverzerrten Gesichtern zeigen die Emotionen und betonen die Gefühle.
Spannung der Gegensätze
Um das Werk zu würdigen, ist es wichtig zu verstehen, dass es auf einem Bühnenstück basiert, was in den einzelnen Szenen immer wieder durchscheint. So furchteinflößend das Ungeheuer auch ist, wird es doch von einem Balletttänzer gespielt, der ihm Eleganz und einen menschlichen Wesenszug verleiht. In inneren Monologen hadert es mit sich selbst. So nehmen wir an seiner inneren Zerrissenheit teil: Die Faszination für die Schönheit und Reinheit des Mädchens trifft auf die animalische Seite, die vor ihm warnt und es töten möchte. Dem ein oder anderen wird hier eine Parallele auffallen, ist doch weithin bekannt, dass wir Rechten böse Ungeheuer mit einer Vorliebe für zarte Jungfrauen sind.
Die Geschichte lebt dabei von dem Gegensatz zwischen der Jungfrau Julia und dem animalischen Ungeheuer, der sich aus einer Vielzahl an Gegenüberstellungen zusammensetzt: Schön-Hässlich, Moralisch-Amoralisch, Menschlich-Tierisch, Hilflos-Gefährlich. Die grandiose musikalische Untermalung stellt diese beiden Seiten noch einmal gegenüber. Das Finstere und Grauenhafte wird stets durch schwere, melancholische Orgelklänge angekündigt, die den Schrecken und das schmerzhafte Leiden des Ungetiers spürbar machen. Dem gegenüber steht die Jungfrau mit einer sanften und sehnsuchtsvollen Klaviermelodie.
Woran andere Filme scheitern
Der tschechische Regisseur hat eindrucksvoll bewiesen, wie hervorragend sich Romantik, Horror und Märchen ineinanderfügen. Das ist bemerkenswert, denn üblicherweise wird das Schauerliche und Märchenhafte im Film lediglich ausgebeutet. Solche Filme vermitteln keine tiefe Wahrheit und sie berühren uns auch nicht in unserem Inneren. Dies soll anhand von drei typischen Fehlern verdeutlicht werden:
- Die kindgerechte Verflachung eines Märchens. Alles wird bunt und oberflächlich. Die eigentliche Magie der Geschichte geht verloren.
- Es werden lediglich Versatzstücke aus Märchen an eine Geschichte geheftet. Man bedient sich der Elemente, um den Zuschauer in seinen Bann zu ziehen, aber die Handlung entspricht nicht dem Wesen eines Märchens. Oftmals wird das Märchen lediglich zu einer Metapher für eine Realitätsflucht degradiert.
- Alles zielt bloß auf Ekel und Schockeffekte ab. Es gibt keine Moral und keine Wahrheit. Der Weg des gängigen Horrorfilms.
Umso schöner ist es, endlich einen Film zu sehen, der in keine der genannten Fallen tappt. Denn obwohl es sich um eine Neuinterpretation handelt, hält er an der Moral der ursprünglichen Geschichte fest und bleibt damit eine klassische Märchenverfilmung: Überdeutlich wird der Kontrast zwischen der tugendhaften Julia und ihren maßlosen, egomanischen Stiefschwestern gezeigt. Eine einzige Rose erweist sich als kostbarer als ein Sack voll Gold und Edelsteinen.