Stell dir vor: Superearth. Mittagszeit. Es ist ein warmer sonniger Wochentag, die Vöglein zwitschern, du kommst früher von der Arbeit nach Hause, weil heute Freitag ist, die Straßen sind sauber, es herrscht Recht und Ordnung, du freust dich auf den Grillabend mit deinen Nachbarn und Freunden und siehst von der Einfahrt deines Einfamilienhauses aus schon, wie deine Familie lächelnd auf dich wartet.
Plötzlich taucht links aus dem Bild ein gewaltiger Bug, Insektdoid, Tyrannid, Xenomorph (was auch immer) auf und stürzt sich auf deine Liebsten und beginnt, sie vor deinen Augen in blutigen Fetzen zu zerreißen, während du hilf- und tatenlos zugucken musst. Und du fällst auf die Knie, beginnst Rotz und Wasser zu heulen und fragst verzweifelt:
„Oh, Sweetie. Oh, Liberty. Wie konnte das nur passieren?“
Und eine Stimme aus dem Off antwortet:
„Und genau darin liegt dein Fehler. Frage dich nicht: Wie das passieren konnte. Sondern Frage dich stattdessen: WAS KANN ICH TUN, UM DAS ZU VERHINDERN!“
Und die Antwort darauf ist: Schließ dich den Helldivers an!
- Entdecke neue Welten (besonders die wirtschaftlich rentablen).
- Erforsche neue Spezies (auf dem Operationstisch).
- Finde neue Freunde (die alten haben es leider nicht zurückgeschafft).
Sei Teil einer 4-köpfigen Friedenstruppe, die durch die Galaxis reist um der Menschheit (die Betonung liegt auf Menschheit) Frieden, Stabilität, Ordnung, Demokratie, Freiheit und Wohlstand zu sichern. Und das ist im Grunde genommen schon der gesamte Plot, denn eine tiefsinnigere Geschichte sollte man nicht erwarten.
Lieber gut geklaut als schlecht kopiert.
Man muss es dem Entwicklerteam von Arrowhead hoch anrechnen, dass sie nicht einmal versuchten zu verbergen, dass sie die Lore der Helldivers-Reihe direkt aus Paul Verhoeven 1997 Kultklassiker Starship Troopers abgekupfert haben.
Obwohl man hier eher von einer liebevollen Hommage sprechen kann, wenn man bedenkt, dass der Film Starship Troopers selbst eine Parodie auf den gleichnamigen 1959 erschienen Roman von Robert A. Heinlein ist. Denn abgesehen vom Titelnamen, den Charakteren und dem groben Handlungsstrang haben beide Werke fast gar nichts gemeinsam. [Stephen King kann bei den Verfilmungen seiner Romanwerke ein Lied davon singen.]
In Heinleins Romanversion verfolgen wir die Charakterentwicklung von Johnny Rico, wie er sich von einem verwöhnten High School Schüler zu einem Soldaten der Mobilen Infanterie (einer Eliteeinheit) und später zum Offizier mausert und so letzten Endes zum Mann heranreift. Dabei sollte erwähnt werden, dass allein die Ausbildung die ersten 100 Seiten im Roman ausmachen, gepickt mit einigen Rückblenden, vor allem die vom Geschichts- und Philosophielehrer Mr. Dubois, der einen bedeutenden Einfluss auf Ricos Leben hat.
Tatsächlich finde ich, dass die Worte von Mr. Dubios der eigentliche Höhepunkt des Romans sind, die ihn erst so richtig lesenswert machen. So erklärt uns Mr. Dubios, was genau die Ursachen sind, woran die Aristokratie wie auch der Kommunismus und die Demokratie letzten Endes gescheitert sind und weist auf ihre Fehler hin. Nämlich, dass früher oder später, in allen drei Fällen, die Dummen, Korrupten und Unfähigen an die Macht kommen werden und so das System von innen her zu verfaulen beginnt.
Vorbild Verhoevens Starship Troopers Satire
Natürlich ist in Verhoeven’s Filmversion nichts von Heinleins tiefsinniger Militärphilosophie zu finden, stattdessen wurde aus dem Buch ein 130-minütiger satirischer, profaschisitscher Propagandaschinken, der sowohl Heinlein wie auch die ganzen Actionfilme der 80er auf die Schippe nimmt.
Die terranische Föderation wird als Spacenazi-Regime dargestellt, der dortige Nachrichtendienst trägt sogar Uniformen im SS-Still. Die Menschen müssen sich, wenn sie vollwertige Bürger mit Wahlrecht werden wollen, für das Militär verpflichten. Die Soldatenausbildung in den Trainingscamps wird als einzige Menschenschinderei dargestellt und nicht als aufwendiger Ausleseprozess, wie man ihn bei Spezialeinsatzkräften kennt.
Dazu noch waren die Charaktere, die im Buch vorkamen, allesamt multiethnisch und divers gemischt (ironisch, ich weiß), im Film stattdessen sind fast sämtliche Hauptfiguren Weiße, mit einigen schwarzen Darsteller in ihrer Mitte. In der deutschen Fassung des Films sind sie sogar einen Schritt weiter gegangen und haben dort ganze Textpassagen, die tiefsinnigere Zeilen aus dem Buch zitieren sollen, umgeschrieben und sie mit faschistischen Aussagen ersetzt.
Trotz dieser satirischen Überzeichnung wurde der Film Opfer einer damaligen massiven Medienkampagne der Linken, die dafür sorgte, dass Verhoeven’s Werk an den Kinokassen floppte. Bis heute fand der Film seine Fangemeinde bei den Konservativen und den Rechten, was viele Linke verwundert, weil der Film ja eine SATIRE über sie ist.
Von den Bugs, den Bots und den bald kommenden Blues
Natürlich haben sich die Entwickler von Arrowhead nicht nur an einem Kultfranchise bedient, sondern gleich Elemente aus jedem bekannten Kultfilm der 80er und 90er geklaut. Denn während man an der galaktischen „Ostfront“ gegen Rieseninsekten kämpft, muss man sich an der „Westfront“ gegen kommunistische Roboter, den „Bots“, behaupten, die kleine Kinder entführen wollen, um sie zu wahnsinnigen Kommunisten-Cyborgs umzuerziehen.
So findet man im Kampf gegen die Bots Filmelemente aus bekannten Kultklassikern wie „Terminator“, „Predator“, „Rambo“, „Robocop“, aber auch aus Vietnamkriegsfilmen wie „Wir waren Helden“, „Full Metall Jacket“, „Platoon“ und „Apokalypse Now“ wieder, die das Ganze als eine Art „Space-Vietnam“ erscheinen lässt.
Denn im Gegensatz zu den Bugs, die sich wie die Bugs in den „Starship-Troopers“-Filmen verhalten, wo die beste Taktik ist, einfach nur blind in die Menge zu feuern, verfügen die Bots über Panzer, Artillerie, Truppentransporter, Flugabwehrgeschütze und Jäger- und Bomberstaffeln.
Tatsächlich gehen die Bots auf den Schlachtfeldern sehr taktisch und strategisch vor, so versuchen sie zum Beispiel die Helldivers mit Maschinengewehrsalven festzunageln, um ihnen mit Mörsergranaten den gar auszumachen. Ebenso sind ihre Außenposten schwer bewacht und verfügen neben Suchscheinwerfern auch über Alarmsysteme, was eine Einnahme verflixt schwierig macht.
Und jeder, der den Vorgängerteil gespielt hat, weiß natürlich, dass es noch eine dritte Fraktion gibt, eine intelligente, blauhäutige Alienrasse, die „Illuminaten“ oder besser bekannt als die „Blues“. Diese werden schon jetzt in Helldivers 2 angeteasert.
Kinematographie, Topographie der Planeten und Die Rule of Cool von Micheal Bay
Eine Sache, die Helldivers 2 so erfolgreich macht ist, dass das Spiel sich wie ein Actionfilm anfühlt. Mal herrlich, was gibt es denn geileres, als wenn man mit seiner Absprungkapsel auf dem Rücken eines Säuretitans landet, um die Demokratie zu verbreiten?
Oder das Hochgefühl, das man verspürt, wenn man sieht, wie ein Außenposten der Bots durch das freiheitliche Bombardement der Eagle-Starfighter in Schutt und Asche gelegt wird, immer begleitet mit einer fetten Explosion.
Oder wie nervenreibend das Wetter auf jedem einzelnen Planeten ist: Von aufkommenden Nebelschwaden, die dir die Sicht versperren, bis hin zu Feuertornados, die quer über das Schlachtfeld fegen und alles verbrennen, was sich ihnen in den Weg stellt.
Oder das befriedigende Gefühl, wenn man nach drei Versuchen unter Zeitdruck endlich den oben, unten, links, links, rechts, oben, links, unten Code auf den Controller eingeben hat und dann zufrieden zusieht, wie die Zerg-Horde in einem Atompilz verglüht.
Oder die Tatsache, dass Helldivers 2 schon 8 Millionen Mal auf Steam gekauft wurde, obwohl Arrowhead bisher keine offiziellen Verkaufszahlen veröffentlicht hat. Wobei das Besondere dabei ist, dass es sich nicht um einen 2-Wochen-Hype handelt, sondern schon seit fast 2 Monaten die durchschnittliche Spieleranzahl bei 500.000 am Tag liegt.
Der Mittelfinger an die AAA(A)- Gameindustrie
Das ist vor allem deswegen so beachtenswert, wenn man dabei vor Augen hat, dass es sich hier mehr oder weniger um ein Indie-Spiel handelt, während der 2015 erschiene Vorgänger unter den durchschnittlichen Spielern gänzlich unbekannt ist.
Es gibt viele Theorien und Analysen, die versuchen sich den Welterfolg von Helldivers 2 zu erklären, doch ich denke, dass es dafür eine ganz einfache Antwort gibt: Die großen AAA-Gameentwicklerstudios haben in den letzten Jahren einfach nur noch schlechte Spiele rausgebracht, die nur dem Zweck dienten, die Fangemeinde anzupissen und ihr das Geld aus der Tasche zu ziehen. God of War Ragnarök, The Last of Us Part II, Far Cry 6, Suicide Squad: Kill the Justice League, Skull and Bones, Marvel’s Spider-Man 2, Star Wars Battlefront 2…
All diese Triple-A-Spiele haben sich durch schlechtes Storytelling, unsinnigen Racelifts, offenkundigen Männerhass, links-woken Propagandamist oder einfach durch ihre Verachtung vor ihren eigenen Vorgängerspielen die Unzufriedenheit der Spieler zugezogen, die dann einfach als Hater beschimpft wurden. Aber auch andere Faktoren, wie zum Beispiel das Lootboxsystem oder Ingamewährung oder das Spielen mit der Erwartungshaltung der Fans einer Spielreihe, haben zur Frustration der Spieler beigetragen.
Helldivers 2 ist dagegen nur erfrischend einfach, ehrlich und direkt. Es hat keine der oben erwähnte Gräuel, noch versteckte Hintertüren oder Seasonpässe, die nur darauf abzielen, den Spielern das Geld aus der Tasche zu ziehen. Das Verkaufsrezept war einfach die Aussage: Das, was auf der Spieleverpackung drauf steht, ist auch drinnen. Mehr nicht. Das, denke ich, ist das große Geheimnis hinter dem Erfolg von Helldivers 2.
Fans wehren sich gegen Publisher
Aber natürlich kann ein Großpublisher wie Sony so etwas nicht unkommentiert hinnehmen und verkündete, dass in Zukunft jeder Steamspieler zusätzlich ein Accountkonto auf Playstationnetwork eröffnen und VERKNÜPFEN muss, wenn er Helldivers 2 weiterspielen will. Nicht nur zwingt Sony Spielern das eigene System noch zusätzlich auf, es will auch an die Steam-Daten der Spieler. Wie bescheuert dieser Akt von Sony ist, kann man schon daran erkennen, dass es in zahlreichen Ländern den Steam-Spielern gar nicht möglich ist, ein Konto auf PSN zu erstellen, weil in ihren Ländern kein PSN zur Verfügung steht.
Die Fans von Helldivers nahmen das überhaupt nicht gut auf und ließen nun ihren Frust auf der Kommentarseite von Steam aus und bekamen sogar eine Rückerstattung, selbst wenn sie das Spiel Monate zuvor gekauft hatten. Offensichtlich hatte Sony nicht mit der massiven Wut der Spieler in dieser Größenordnung gerechnet und erklärte am 06.05., dass sie einen Rückzieher machen werden. Ein großer Erfolg für die Fans! Ob es sich hier nur um ein vorübergehendes Einlenken oder ein echtes Zugeständnis handelt, bleibt jedoch abzuwarten.
Mehr Satire wagen!
Zum Schluss fällt mir nur noch ein zu sagen, dass wir mehr über uns selber lustig machen sollen. Wir müssen mehr über uns lachen, uns auf die Schippe nehmen und uns nicht immer allzu ernst nehmen. In Verhoeven’s Starship Troopers haben die Rechten die Satire nicht nur begriffen, sondern auch durchschaut. Was kein Einzelfall ist, man sehe sich zum Beispiel Warhammer 40k an, was ursprünglich auch als eine Satire über Rechte gedacht war, doch gerade bei dieser Zielgruppe sehr beliebt ist.
Genauso wie das Imperium in Krieg der Sterne eine übergroße Fangemeinde hatte, bevor Disney die Rechte übernommen hat.
Ja, sogar bei einigen alten Simpsonsfolgen ist das der Fall. In der Folge „Tingeltangel Bob“ [Staffel 6 Folge 5] wird zum ersten Mal die republikanische Partei von Springfield vorgestellt, die so voller Klischees über die Konservativen ist, aber dennoch bei Republikanern sehr beliebt ist. Genauso wie die Folge „Homer und der Revolver“, wo die NRA in Springfield ihren Gastauftritt bekommt, die zwar zuerst wie eine Bande schießwütiger Irrer eingeführt wird, aber sich dann als eine sehr vernünftige Organisation entpuppt, wenn sie entsetzt feststellt, wie unverantwortlich Homer mit seinem Revolver umgeht. Oder wie sie in der Folge sagen:
„Eine Waffe ist kein Spielzeug. Damit beschützt man seine Familie, jagt gefährliche und köstliche Tiere und hält sich den König von England vom Hals.“
Selbstverständlich müssen wir uns genauso über die Linken lustig machen und ihre Wahnvorstellungen von einer rechten Dystopie ins Lächerliche ziehen oder sie am besten gleich selber übernehmen und deren utopische Fantasieträumereien einfach in einem anderen Lichte betrachten.
Satire war schon immer das bestes Mittel, um die Politik der Moralapostel zu kritisieren und ist ein Schwert, das wir unbedingt wieder in die Hand nehmen müssen. Wenn wir nur plumpe Geschichten schreiben, um unser eigenes Weltbild zu bestätigen, frei ohne Fehler und Selbstkritik, unterscheiden wir uns kaum von der linkischen Propagandaindustrie.
So sehe ich das zumindest.
Ansonsten…