Wir tauchen ein in die urwüchsige, nordische Welt der Kinderbuchautorin Astrid Lindgren. Der Räuberhauptmann Mattis lebt mit seiner Frau Lovis und seinen zwölf Räubern auf der verlassenen Mattisburg im tiefsten Mattiswald. In einer dunklen Gewitternacht, als ein Blitz in die Burg einschlägt und sie in zwei Teile spaltet, bringt seine Frau eine Tochter zur Welt: Ronja. Das freche, neugierige und temperamentvolle Mädchen wächst zusammen mit den Räubern auf. Als sie alt genug ist, darf sie endlich die Burg verlassen und den großen Wald erkunden, in dem noch Dunkeltrolle, Graugnome und Rumpelwichte hausen.
Eine einfache Welt voller Kraft und Lebendigkeit
Der Film wirft einen romantischen Blick auf das Ursprüngliche. Da ist zum einen das einfache Leben auf der Burg, weit weg von der Zivilisation. Die Räuber haben ihre klaren Abläufe und Rituale. Sie fluchen gerne und laut. Gemeinsam sitzen sie an der langen Tafel; bei Festen wird gesungen und auf dem Tisch getanzt. Daneben gibt es den großen, unberührten Wald mit seinen Geheimnissen, seiner Schönheit und seinen Gefahren. Er strahlt etwas Mystisches aus. Wir durchleben mit Ronja die Jahreszeiten: Den duftenden Frühling, den strahlenden Sommer aber auch den Herbst und den kalten Winter, bei dem die Burg tief eingeschneit wird.
Der Film steckt voller Kraft und Lebendigkeit. Mattis ist ein überschwänglicher Vater, bei dem sich jede Emotion zu einem Gefühlsausbruch steigert. Er kann herzhaft lachen, in Raserei das Essen gegen die Wand schmeißen oder vor Trauer schluchzen. Gleich nach der Geburt seiner Tochter sehen wir ihn im Kreis tanzen, er brüllt begeistert: „Ich habe ein Kind gekriegt!“ Auch Ronja steckt voller Lebensfreude, das sich in ihrem jugendlichen Sturm und Drang bahn bricht: Jeden Frühling muss sie ihre Energie mit einem Frühlingsschrei herauskreischen.
Das ist eine erholsame Abwechslung in einer Zeit, in der die Filme immer künstlicher, steriler und lebloser werden. Hier müssen auch die gelungenen Spezialeffekte erwähnt werden, die zwar nicht immer realistisch aussehen, sich aber harmonisch in das Gesamtbild einfügen. Glücklicherweise gab es damals noch keine Computereffekte: Niemals ist es möglich, mit Greenscreens und digitaler Nachbearbeitung eine solche ursprüngliche Welt einzufangen!
Wir spüren die Sehnsucht nach der Natur
Bei ihren Streifzügen stößt Ronja eines Tages auf den gleichaltrigen Birk, Sohn des Räuberhauptmanns Borka, dem Erzfeind von Mattis. Nach anfänglicher Ablehnung und Misstrauen lernen sie sich kennen und freunden sich an. Mit Birk trifft sie auf einen Jungen, der ebenso selbstbewusst ist wie sie. Gemeinsam entdecken sie den Wald, erleben Abenteuer und retten sich gegenseitig aus bedrohlichen Situationen. Doch das dürfen Mattis und Borka auf keinen Fall erfahren! Denn deren Streit hat sich zugespitzt, nachdem sich die Borkabande heimlich in den Nordteil der Mattisburg eingenistet hat.
Wir erleben mit, wie die Kinder den Wald erkunden. Die Vögel zwitschern, der Wind raschelt in den Bäumen. Hervorragende Aufnahmen fangen die Atmosphäre des Waldes ein. In den Morgenstunden, wenn der Nebel noch über dem Boden schwebt und die Tautropfen an den Blättern hängen, können wir ihn beinahe riechen. Wenn wir sehen, wie Ronja und Birk im See baden oder auf Wildpferden reiten, wird in uns Stadtmenschen eine verborgen schlummernde Sehnsucht nach unberührter Natur ausgelöst.
Viele wichtige Werte werden vermittelt
Auch wenn die Räuberbande kindgerecht dargestellt wird, als zwar böse fluchende, aber liebenswerte und anständige Kerle, so führt das nicht zu einer Verherrlichung des Räuberlebens. Als Ronja ihrem Vater auf die Schliche kommt, dass die Räuber unschuldige Menschen ausrauben, versucht sich Mattis herauszureden: „Ich nehme doch nur den Reichen etwas weg und gebe es den Armen.“ „Ja, der armen Witwe hast du einen Sack Mehl geschenkt… vor 12 Jahren!“, wirft Glatzen-Per ein. Denn der Film zeigt keinen linken Wunschtraum, in der jeder Räuber gleich ein Robin Hood ist!
Eltern und Kindern werden hingegen viele positive Werte vermittelt: Dass Kindern die Freiheit gelassen wird, die Welt selbst zu erkunden, auch wenn sie gefährlich sein kann. Denn die Natur wird nicht zu einer romantisierten Idylle verklärt, sondern sie birgt ernst zu nehmende Gefahren. Diese gehen nicht nur von den mythischen Wesen des Waldes, wie den Wilddruden oder den Graugnomen, aus. Es können auch ein Wasserfall, eine tiefe Schlucht oder ein verstecktes Erdloch sein, in dem der Knöchel stecken bleibt. Nur gemeinsam können Ronja und Birk dagegen bestehen.
Ein durch und durch rechter Film
Entscheidend ist, dass den Kindern nicht alles auf magische Weise zufällt. Auch Freundschaften und Beziehungen haben ihren Preis, es muss um sie gerungen werden. Über unwichtige Kleinigkeiten kommt es zum Streit kommen, der die Freundschaft aufs Spiel setzt. Dieser Blick, der die Fragilität der Welt anerkennt und sich doch nicht von ihr verunsichern lässt, ist tief im Film verwurzelt. Auf den Sommer folgt der Winter und nichts hält für die Ewigkeit. Das macht den Film rechts.
Und schließlich weckt er den Wunsch in uns, auch einmal eine kleine Räubertochter zu haben.